Category Archives: Wirtschaft, Arbeit u. Soziales

Gans schön ekelig

Frohe Weihnachten an alle! Der Heilige Abend lässt uns besinnlich zusammenkommen und über christliche Wertvorstellungen nachdenken. Dazu freuen sich die Fleischfresser unter uns auch auf einen Festtagsbraten. Gerne wird an diesen Tagen eine Weihnachts-Gans aufgetischt und dem Beginn der Christenheit gedacht. Eine schöne Bescherung folgt meist nach dem großen Schmaus, Geschenke inklusive.

Daunenjacken und Daunendecken erfreuen sich in der kalten Jahreszeit großer Beliebtheit, doch wie gelangen diese in unsere Textilien?

Aus Polen oder Ungarn beispielsweise – aus denen viele Daunen importiert werden – seien durchaus noch Farmen bekannt, in denen Gänse oder Enten lebend gerupft werden, sagte Thomas Müller von der Stiftung Warentest im Interview mit DRadio Wissen.“ (s. DRadio Wissen)

Verbote nutzen da wohl wenig, wenn der Profit lockt. Der Spiegel titelt im November zu diesem Thema  „Lukrativ wie Drogenhandel“.

Populäre (Outdoor-) Marken werben mit der Rückverfolgbarkeit ihrer Federfüllungen, im Praxistext stellt sich dies jedoch als bloßes Lippenbekenntnis und Werbeversprechen dar.

„Auf den Höfen südöstlich von Budapest werden etwa beim sogenannten Pusztarupf Hunderttausende Tiere vier- bis fünfmal in ihrem kurzen Leben gerupft. Für die Züchter ist das lukrativ. Denn die Qualität der Federn steigt mit jedem Rupf, älteren Tieren wachsen bessere, sprich dichtere Daunen.“ (Salden. In: Der Spiegel. Nr. 47. 2014. S. 87)

Daher startet die Tierschutzorganisation Vier Pfoten eine Kampagne für Tierleidfreie Daunen bei Outdoor-Marken. Der Verbraucher soll schließlich nicht die Katze im Sack kaufen.

Weiterhin Frohe Weihnachten und eine schöne Bescherung.

Weblinks:

 

Wer profitiert?

Globalisierung und freier Handel machen es möglich, exotische Südfrüchte zur Vorweihnachtszeit bei uns an der Ladentheke. Das ZDF hat kürzlich eine Dokumentation über die reichsten Deutschen, die öffentlichkeitsscheuen Aldi-Brüder, gezeigt. So reich, dass sie laut Doku einst eine Bank vor dem Bankrott retten konnten.

Aldi-Markt
Aldi Markt

Der Preis ist klein und Qualität wird hier anscheinend groß geschrieben. Das zieht Kunden an. Am Obststand kann der Kunde Granatäpfel zum unschlagbar günstigen Preis von 1,15 Euro kaufen. Der Blick auf das Herkunftsland wirft jedoch Fragen auf. Ursprung: Israel.

Wo genau kommen diese exotischen Früchte aus Israel her und welche Landesgrenze wird darunter verstanden? Das völkerrechtlich akzeptierte Israel innerhalb der Grenzen von 1967 oder das expansionistische zionistische System der Nachfolgejahre?

Granatäpfel in der Auslage bei Aldi
Granatäpfel in der Auslage bei Aldi

Während des letzten Gaza-Krieges ist über einen angeblichen Boycott israelischer Produkte in Europa berichtet worden. Der Krieg gab Anlass gegeben, über die Politik der angeblich einzigen Demokratie in Nahost zu berichten. Dabei machte die internationale BDS-Bewegung auf die Verhältnisse palästinensischer Bauern und Landwirte unter israelischer Besatzung aufmerksam.

„Palestinian farmers face the brunt of Israel’s land confiscations, demolitions and water theft.” – (See more at: http://www.bdsmovement.net/activecamps/farming-injustice#sthash.D0k7v49a.dpuf

Expansion der eigenen Staatsgrenze durch eine Teilungsmauer, internationale Kritik zum stetig andauernden Siedlungsbau, Kriegsverbrechen und Ignoranz gegenüber Völkerrecht steckt man einfach weg. So haben nach dem UN-Teilungsplan von 1947, den Osloer Abkommen der 90 Jahre und unzähligen Verhandlungen zu den Staatsgrenzen zweier Völker bisher lediglich weitere Expansion auf Seiten Israels zur Folge gehabt. Lobbyismus, Wirtschaftsinteressen- und militärische Macht dominieren westliche Rechts- und Moralauffassungen und setzen uns Scheuklappen auf.

Wenn wir diese Politik unterstützen wollen brauchen wir nur weiter zu machen, wie bisher. Die Aussicht auf ein Schnäppchen im Supermarkt dämpft schnell unser Moralempfinden und Neugierde.

Doch will man die genaue Herkunft dieser Granatäpfel bei Aldi ermitteln, stößt man nur auf weitere Fragen. Man sollte meinen die Produktverpackung liefere nähere Informationen zur genauen Herkunft. Ein Besuch auf der angegebenen Website auf www.terra-export.com kommt zu folgendem Ergebnis:

„This account has been suspended. Either the domain has been overused, or the reseller ran out of resources.”    (Stand: 16.12.14)

Tippt man bei Google die Anschrift der vermeintlichen Handelsadresse ein, so liefert das ebenfalls keine Ergebnisse. Auch Google Maps kennt die Adresse nicht. Keine Ressourcen für einen Webauftritt, kann das sein? Eine Domainabfrage liefert folgendes Ergebnis:

Registrant Name: MICHAL HUBASHI MICHAL HUBASHI
Registrant Organization:
Registrant Street: HARUGEY MALCHUT 22
Registrant City: TEL AVIV
Registrant State/Province:
Registrant Postal Code: 69714
Registrant Country: IL

Das Feld Organistion bleibt leer, die Region ebenfalls. Hat man etwas zu verbergen? Worauf man bei der Suche jedoch fündig wird ist die Seite namens whoprofits.org. Diese Seite veröffentlicht die Wirtschaftsbeziehungen und –Verhältnisse israelisch besetzter Gebiete zum Weltmarkt. Der Report: „Made in Israel: Agricultural export from occupied territories” listet die Händleradresse auf.

“Who Profits’ report concerns the major Israeli agricultural export companies presently operating in occupied territories. The report demonstrates the severe implications of an Israeli-only agriculture in occupied Palestinian and Syrian lands.” (whoprofits.org. Stand. 17.12.14)

whoprofits-S.60
Auflistung im Report von whoprofits.org

Verpackungen und Firmenlabels dieses Exportbetriebes im besetzten Jordantal gesichtet. Es verhärtet sich also der Verdacht, dass der Ursprung dieser Früchte nicht Israel im völkerrechtlichen Sinne ist. Um sicher zu gehen, müsste man bei Aldi nachfragen. Doch was interessiert es uns, wenn wir ein gutes Geschäft machen können.

Weblinks:

Piketty -Vorlesung in Berlin

Am 07. November hat Thomas Pikkety eine Vorlesung zu seinem Buch “Kapital im 21. Jahrhundert” gehalten. Anschließend wurden seine Aussagen von Philosophen und Politikwissenschaftlern diskutiert. Die Veranstalter “Blätter für deutsche und internationale Politik” stellen die Vorlesung als Video-Stream auf ihrer Webseite zur Verfügung.

Weblinks:

Jobcenter Halle – Täuschung mit System

MZ-Bericht vom 11.12.14 über das Jobcenter-Halle
MZ-Bericht vom 11.12.14 über das Jobcenter-Halle

Weblinks:

Das Personalkarussell an der Wall Street

Über den langen Arm der Investmentbank Goldman-Sachs ist bereits berichtet worden. Nun kommen neue Enthüllungen an die Öffentlichkeit, die dieses Bild bestätigen.

Bereits im Oktober hat die New York Times über die Arbeitsweise der US-Bankenaufsicht Federal Reserve Bank of New York berichtet. Demnach gebe es Anschuldigungen, dass die Federal Reserve gegen ihre Aufsichtspflicht gegenüber der Investmentbank Goldman-Sachs verstoßen habe. (vgl. NYT. 02.10.14)

Auschüsse im US-Senat und Repräsentantenhaus prüfen daraufhin die Praxis der Aufsichtspflichten gegenüber Goldman-Sachs und weiterer Banken in Anhörungen. Der Stein ist ins Rollen gekommen, als die Investigativ-Plattform ProPublica und das Radio-Programm „This American Life“ heimliche Aufnahmen der Interaktion zwischen Fed-Bediensteten und Goldman-Mitarbeitern veröffentlicht haben.

Die frühere Fed-Mitarbeitern Carmen M. Segarra, die die Aufnahmen gemacht hat, hat die New York Fed verklagt, weil sie angeblich wegen einer zu harten Haltung gegenüber Goldman-Sachs gefeuert worden sei. Ihre Aufnahmen lassen vermuten dass ihr Vorgesetzter in der Fed einen Kuschelkurs mit Goldman gefahren sei und zudem geholfen habe, ein verzerrtes Bild über bestimmte Bankgeschäfte abzugeben.

Kritik an der korrekten Umsetzung der Aufsichtspflicht der Fed gibt es auch in höchsten Wissenschaftskreisen:

‹‹Soon after the financial crises, a report on the New York Fed´s practises by a Columbia University professor, David Beim, found that the regulator needed to be “willing to stand up to banks and demand both information and action” and was ”too risk-aversive to respond quickly and flexibly to new challenges.”›› (Popper & Eavis. In: NYT. 02.10.14)

US-Senatorin Elizabeth Warren spricht sich nun für eine ausgedehnte Untersuchung über die Geschäftspraxis der Fed aus:

‹‹”We need congressional hearings to dig into what´s gone wrong at the Fed, and we need to do it now because our whole economy is riding on the Fed´s ability to supervise the biggest banks.” ›› (Popper & Eavis. In: NYT. 02.10.14)

Die New York Fed, eine von 12 regionalen Federal Reserve Banken, hat schon immer ungewöhlich gute Beziehungen zur Wall Street gehabt. Sie befindet sich in Lower Manhatten und hat selbst Wall Street Jongleure bei sich beschäftigt. (vgl. Popper & Eavis. In: NYT. 02.10.14)

Die Enthüllungen des Personal-Karussels zwischen Goldman- und Aufsichtorganen findet in der jüngsten Veröffentlichung der New York Times neue Nahrung.

Abgesehen davon, dass der Präsident der New York Fed, William C. Dudley, selbst wie EZB-Chef Draghi ehemaliger Goldman Chef-Ökonom gewesen ist, werden auch Stellen in den ´unteren´ Rängen zwischen Bank und Kontrollinstanz gerne getauscht. Diese Drehtür scheint ein probates Mittel, um im Sinne der eigenen Interessen handeln zu können.

Jetzt wird öffentlich, dass der ehemalige Fed-Bedienstete, Rohit Bansal, ebenfalls zu Goldman-Sachs gewechselt ist und dort sein Insiderwissen zur Anwendung gebracht habe.

Der 29-jährige sollte nun dieselben Banken beraten, die er zuvor kontrolliert habe.

‹‹And the banker obtained confidential information, along with several publicly available facts, in the course of assignments from his bosses at Goldman, the lawyers said.›› (Silver-Greenberg, Protess & Eavis. In: NYT. 19.11.14)

Diese Informationen gaben Goldman einen Einblick in private Erkenntnisse der Fed, so die Anwälte in diesem Fall.

Auf Anfrage seiner Vorgesetzten erstellte Mr. Bansal Informationen darüber, wie Aufseher verschiedene Angelegenheiten von Goldman´s Bankkunden sehen würden, so die Anwälte laut NYT. Dabei handle es sich um eine juristische Grauzone. Doch in einer E-Mail an seinen Vorgesetzten Joseph Jiampietro, teilte Mr. Bansal potentiell vertrauliche Informationen der Bankenaufsicht über einen Goldman-Kunden. Seien Anwälte behaupten dass er diese Informationen nicht wissentlich missbraucht habe.

Nach der Veröffentlichung dieses Falles schmiss Goldman den Banker und seinen Vorgesetzten unvermittelt raus. Das verdächtige Leck in der New York Fed wurde ebenfalls entsorgt. Goldman-Sprecher Michael DuVally spricht später von einer daraufhin eingeleiteten internen Untersuchung und betont die Null-Toleranz-Linie der Investmentbank in Bezug zur Nutzung vertraulicher Informationen.

Nach Öffentlichwerdung des Lecks wurden die Behörden informiert und überprüfen ob es sich bei der Weiterleitung der internen Informationen um ein eine Straftat handle.

‹‹The investigations are at an early stage and there is no indication that the three men will face charges. It is unclear wheather more senior individuals at Goldman or the New York Fed knew about the sharing of the informatioen before it was stopped.›› (vgl. Silver-Greenberg, Protess & Eavis. In: NYT. 19.11.14)

Dieses Leck wirft jedoch wieder Fragen nach der Unabhängigkeit und Verwobenheit unserer systemrelevanten Institutionen auf

Aber auch in Deutschland wundert man sich, warum die Bankenaufsicht Bafin die Regulierung ausländischer Banken in den USA kritisiert.

Weblinks:

Sinkende Arbeiter-Löhne lassen Mittelschicht schrumpfen

Die New York Times berichtet über eine neue US-Studie des National Employment Law Project (NELP) zur Lohnentwicklung in der Arbeiterklasse. Demnach werden heutzutage viele Jobs in der Industrie viel schlechter bezahlt als früher. Das Lohn-Verhältnis im Vergleich zur Arbeit im Privatsektor habe sich seit 2007 umgekehrt. Früher sei der Industrie-Arbeiter besser bezahlt worden als der Beschäftigte im Privatgewerbe, seit einigen Jahren bekommt der Bandarbeiter in den USA ein durchschnittlich geringeres Gehalt.

“…evidence is growing that the pay of many blue-collar jobs is shrinking to the point where they can no longer support a middle-class life.” (Schwartz & Cohen. In: NYT. 20.11.14)

Bei Automobil-Zulieferern ist der Reallohn in den Jahren 2002 bis 2013 um 4.4 Prozent gesunken. NELP-Forscher fanden einen Lohnrückgang von 1/3 für die gesamte Arbeiterschaft, so die NYT.

Arbeiter in der Teilefertigung, die 72 Prozent der Beschäftigten im Automobilbereich ausmachen,  verdienen ebenfalls ein Drittel weniger als Montagearbeiter, die anschließend diese Teile zusammensetzen. Von 2003 bis 2013 sei das Durchschnittsgehalt in der Teilefertigung von $18.35 auf $15.83 gesunken.

Ein Hauptgrund für die geringere Bezahlung ist der extensive Gebrauch von Zeitarbeitern.

„At the same time, one of the most important reasons for lower pay is the increased use of temporary workers. Some manufacturers have turned to staffing agencies for hiring rather than employing workers directly on their own payroll. For the first half of 2014, these agencies supplied one out of seven workers employed by auto parts manufacturers.” (Schwartz & Cohen. In: NYT. 20.11.14)

Die vermehrte Einstellung von den schlechter bezahlten Zeitarbeitern, vor allem in der Produktionslinie, macht sich nicht nur in der Arbeitnehmer-Statistik in der Industrie bemerkbar. Diese Praxis wirke sich ebenso auf die Anzahl der Vollzeit-Stellen aus. Auch ein „Hocharbeiten“ langjährig erfahrener Arbeiter in der Industrie sei dadurch unwahrscheinlicher geworden.

“When Timothy Shelly first started working at the Faurecia Automotive Seating plant in Cleveland, Miss., he was earning $8 an hour. Nearly 10 years later, with a promotion that moved him up to managing three other workers, he
earns $12.72, not much more than the rise in the cost of living over the same period.“ (Schwartz & Cohen. In: NYT. 20.11.14)

Trotz dieser wachsenden Kluft der Arbeiter-Löhne stellt die Politik in Washington den Fertigungs-Sektor als Wegbereiter zur Mittelschicht. Laut Bureau of Labor Statistics arbeiten 12,2 Millionen US-Amerikaner in Manufaktur-Betrieben.

In Deutschland ist die Zeitarbeit äußerst unbeliebt, jeder zweite Leiharbeiter will weg. (vgl. Spiegel Online. 15.02.14) Liberalisiert wurde die Zeitarbeit in Deutschland bekanntlich durch die SPD unter Gerhard Schröder.

„Bereits unmittelbar nach der Bundestagswahl 2002 hatte die rot-grüne Regierung erste Hartz-Reformen angestoßen. Sie fußten auf den Vorschlägen einer Arbeitsmarktkommission unter der Leitung des VW-Managers Peter Hartz. Denn die Konjunkturaussichten der deutschen Wirtschaft sind zu der Zeit trübe, wegen überhöhter Neuverschuldung bekommt Deutschland einen blauen Brief aus Brüssel. Diese ersten Hartz-Gesetze hatten den Zugang zu Leih- und Zeitarbeit gelockert, Minijobs ermöglicht sowie mit Einführung sogenannter Ich-AGs den Bürgern Schritte in die Selbstständigkeit erleichtert. Und nun die Agenda 2010.“ (Deutschlandfunk. 14.03.13)

Weblinks:

Bald ist Zahltag

Der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB) will mit allen Mitteln die Inflation anheizen. (vgl. SZ. 21.11.14) Die Umlegung der Schulden auf die Allgemeinheit muss allen Anschein nach vorangetrieben werden. Im September ist über 800 Milliarden Euro für neue Hilfsprogramme durch die EZB berichtet worden. (vgl. Spiegel Online. 07.09.14) Finanzschwache Banken sollen gestärkt und zu neuer Kreditvergabe an die Wirtschaft animiert werden. Angekündigte und bereits ausgeführte Maßnahmen, wie zum Beispiel Zinssenkungen auf ein Rekordtief sowie angekündigte Negativzinsen, scheinen nicht auszureichen, um mehr Geld in den Wirtschaftskreislauf zu pumpen.

Wolfgang Münchau schreibt in seiner Kolumne bei Spiegel Online dass die Anleihekäufe der Zentralbank nicht zur (gewünschten) Inflation führen müssen, da durch diese Maßnahme zwar die existierende Geldbasis wachse, die vorhandene Geldmenge jedoch nicht. Hauptbestandteil der Geldbasis seien die Rücklagen, die die Banken bei der EZB bilden müssen. Mit dem Geld, das von Kundeneinlagen abzüglich der Rücklagen übrig bleibt, kann die Bank arbeiten. Verleiht sie es mit Zinsen weiter oder führt es anderweitig in den Wirtschaftskreislauf, beeinflusst sie damit die existierende Geldmenge. (vgl. Spiegel Online. 17.11.14)

Und was bedeutet es, wenn der Ex-Goldman Sachs Mann Draghi seiner Aufgabe gerecht werden will und die Inflation ankurbeln möchte?

 „Inflation

[lat.] I. bezeichnet eine wirtschaftliche Situation, in der ein Missverhältnis zwischen der volkswirtschaftlich vorhandenen Geldmenge (Überangebot) und dem Angebot an Waren und Dienstleistungen herrscht. Dies führt zur Steigerung des Preisniveaus und zur Senkung der Kaufkraft des Geldes. Zu unterscheiden sind

1. Nachfrage-I., die aus einer übersteigerten Nachfrage der privaten und öffentlichen Haushalte resultiert;

2. Angebots-I., die aus kostenbedingten Preiserhöhungen (Arbeits-, Materialkosten, Steuern, Nebenkosten) oder Preiserhöhungen resultiert, die den Gewinn erhöhen sollen;

3. importierte I., die ausländische I.-Entwicklungen ins Inland überträgt.“ (bpb.de Stand: 21.11.14)

Bleibt die Inflation aus ist die vorhandene Geldmenge im Wirtschaftskreislauf zu gering. Demnach können keine Investitionen getätigt werden, Produkte werden nicht abgenommen. Die Wirtschaft wird mittelfristig nicht wachsen können und der bald günstigeren und besseren Konkurrenz unterliegen. Schulden und Schuldzinsen können nicht getilgt werden.

Dabei berichtet DIE ZEIT  im November über die aktuelle Preissteigerung in Deutschland.

„Kinokarten: 2,4 Prozent. Kinderjacken: 3,5 Prozent. Hackfleisch: 0,3 Prozent. Vollkornbrot: 0,9 Prozent. Das sind Beispiele für aktuelle Preissteigerungen in Deutschland. Im Durchschnitt aller angebotenen Güter und Dienstleistungen ergibt sich ein Anstieg von 0,8 Prozent.“ (Uchatius. In: DIE ZEIT. 13.11.14. S.13)

Wegen der Zinspolitik bzw. niedriger Zinsen auf dem Bankkonto (Deutsche Bank: 0,05 Prozent; Targobank: 0,1 Prozent; Commerzbank; 0,05 Prozent; HypoVereinsbank: 0,01 Prozent) ergibt sich faktisch bereits eine Geldentwertung. Diese möchte Mario Drahgi weiter anheizen, da die angepeilte (nötige) 2 Prozent Inflationsrate nicht erreicht wird. Kinokarten, Hackfleisch, Brot, Milch und Eier sollen also teuer werden. Doch „insgesamt haben [die Bundesbürger] .. 3,84 Billionen Euro bei Banken und Versicherungen deponiert. Mit diesem Geld ließen sich mehr als zehn Jahre lang alle Ausgaben des Bundes bezahlen.“  (Uchatius. In: DIE ZEIT. 13.11.14. S.13)

Die Zahl der Milliardäre ist heute auf einem Rekordhoch. Die Zahl der Superreichen wachse schneller als die Weltwirtschaft.

„Weltweit gibt es im laufenden Jahr 2325 Milliardäre, heißt es in einer Erhebung der Schweizer Bank UBS und des auf vermögende Privatkunden spezialisierten Datenanbieters Wealth X. Das seien 155 oder sieben Prozent mehr als im vergangenen Jahr.“ (Spiegel Online. 17.09.14)

„In Deutschland gibt es mehr als 19.000 Multimillionäre – so viele wie nirgendwo sonst in Europa.“ (Spiegel Online. 19.11.14)

Warum sollen die Arbeiter und Dienstleister mit ihren Gehältern die Wirtschaft ankurbeln, indem sie mehr für Essen, Trinken und Benzin bezahlen müssen, während andere für 26 Millionen Euro einen blauen Diamanten oder für 62 Millionen Euro einen rosafarbenen Diamanten ersteigern?

Der Vorsitzende des 2. Strafsenats des Bundesgerichtshofs in Karlsruhe, Thomas Fischer, gibt seine Stellungnahme im Fall des jüngst verurteilten Middelhoff zu den Mächtigen in der Gesellschaft:

Die Herren der Chefs

Herr Middelhoff mag der Concierge sein am Eingang zur Schatzhöhle. Aber der Goldene Drache ist er nicht, also kein Gutseigentümer.
Die Herren der Chefs, die ‹‹Treugeber››, die Großfürsten im Reich der Ressourcen, sind – während der Rest empört ist über die großen und kleinen Middelhoffs – fein raus: Sie fliegen, wohin sie wollen. Sie kreisen mit ihren eigenen Privatjets rund um ihren eigenen Garten, tagein, tagaus. Sie fressen tonnenweise Kaviar und werfen die Reste aus dem Fenster. Sie verbrennen 10 Millionen Dollar im Kamin. Sie stopfen den schönsten Huren die Blusen voll Gold und ihren ‹‹Verwaltern›› das Maul mit Boni, die mindestens zur Hälfte der Steuerzahler bezahlt. Denn ihnen gehören die Welten, und die Middelhoffs allemal.
Man sollte denken: Wer über Gutsverwalter spricht, sollte über Gutseigentümer nicht schweigen. Denn ohne Herren keine ‹‹Verwalter››. Es gibt sie ja noch, bei uns und anderswo. Sogar in großer Zahl: Oligarchen und Milliardärinnen, Ölmagnaten und Latifundienherren, Kaufhauserbinnen und Reeder.
Manchen gehören ganze Straßenzüge oder Regenwälder oder die Gasproduktion für Generationen. Wer hat die längste Jacht der Welt? Welcher Sohn welches Königs fliegt mit dem teuersten Flugzeug? Das sind, erstaunlicherweise, nur müßige Fragen, für illustrierte Zeitschriften.
Eine andere Frage ist vielleicht noch beunruhigender: Was wäre, wenn die kleinen und großen Middelhoffs die wahren Herren der Welt wären, weil nur die wundersamen Konstruktionen des Aktien- und Konzernrechts den Inhaber von ein paar läppischen Arcandor-Aktien als Herrn des Verwalters Middelhoff erscheinen lassen? Der Großteil der Aktien  gehört ja anderen Aktiengesellschaften, an deren Spitze wiederum nur ein Herr Middelhoff steht, und so immer weiter, bis alle am Ende nur die Verwalter ihrer selbst sind – und dem Bürger, dem keine Aktie gehört und kein Kaufhaus und kein Tanker, schwindelt vor dem unermesslichen Reichtum, der an ihm vorbeifließt, strudelt und in schwarzen Löchern versinkt oder am Himmel explodiert in Freudenfeuern der Divisenhändler. Was ist uns, fragen die Theoretiker der praktischen Vernunft, unter solchen Bedingungen noch Schuld? Und was nützt uns Moral?“  (Fischer, Thomas. In: DIE ZEIT. 20.11.14. S.25)

Wo kommt das Geld eigentlich her und wo fließt es hin? Wer hält die Wirtschaft am Laufen und wer profitiert davon?

Hoffen wir mal das Mario Draghi nicht die Angebots-Inflation meint, die er in die Höhe treiben will. Doch wie kommt sonst das ganze Geld wieder in den Wirtschaftskreislauf zurück?

Soll der einfache Bürger bezahlen, indem sie für die gleichen Güter tiefer in die Tasche greifen muss? Auch wenn die Notenbanken mit ihren Aufkaufprogrammen nur die vorhandene Geldbasis erhöhen, zahlen am Ende nicht die Verursacher der Krise. Sicher, in jüngster Zeit ist es  reihenweise zu Ermittlungen und Urteilen über Strafzahlungen der Banken in Milliardenhöhe gekommen. Doch wer kann beurteilen ob diese Strafen eine abschreckende Wirkung haben oder nur wie eine Beruhigungstablette wirken. Wenn ein Gauner 2000 € erbeutet und anschließend 1000 € Strafe zahlen muss, schreckt ihn das für zukünftige Betrügereien ab oder animiert es so weiterzumachen?

„Bei der Fondsgesellschaft Pimco wird offenbar auch Misserfolg belohnt. Denn die Allianz-Tochter hat ihrem Ex-Starinvestor Bill Gross laut einem Medienbericht 2013 trotz bescheidener Anlageerfolge einen sehr hohen Bonus gezahlt. Gross habe rund 290 Millionen Dollar (230 Millionen Euro) erhalten, berichtete die Nachrichtenagentur Bloomberg unter Berufung auf ein internes Dokument… Pikant an dem Bonus: Das von Gross gemanagte Pimco-Flaggschiff Total Return Fund hatte im vergangenen Jahr schlechter abgeschnitten als viele Wettbewerber.“ (Spiegel Online. 14.11.14)

Vielleicht müssen die Zentralbanken so massiv eingreifen, weil entsprechende Straf- und Rückzahlungen dieses Wirtschaftssystem so sehr gefährden oder gar unmöglich sind. Ich weiß es nicht. Wenn es die einzige Alternative zum Kollaps ist müssen wir wohl so weiter machen, andere Möglichkeiten der Umschuldung finden, oder etwas anderes überlegen.

Ist so viel Kritik an bestehenden Verhältnissen nicht auch gefährlich und wirkt am Ende nur wie Brandbeschleuniger, bevor die Feuerwehr anrücken kann? Kann man immer nur kritisieren ohne eine praktikable Alternative parat zu haben?

Kritik findet in der Möglichkeit zur freien Meinungsäußerung Ausdruck und diese ist der Grundpfeiler unserer demokratischen Gesellschaftsordnung. Kritik kann zudem immer konstruktiv und destruktiv ausgelegt werden, entscheidend ist, was daraus entsteht. Geschichte und Gegenwart sind reich an Alternativen, doch selbst das beste System scheitert zuerst am Menschen.

Sollen die Schwachen und diejenigen, die sich nicht wehren können, bezahlen für die Vergehen anderer? Oder würden sie nicht genauso handeln, wenn sie könnten?

Gewiss ist nur eines, sie sind in der Überzahl.

Weblinks:

Die Welt der Reichen – und Armen

Zahl der Mulitmillionäre mit Vermögen ab 30 Mio. Dollar. Quelle: Spiegel Online
Zahl der Mulitmillionäre mit Vermögen ab 30 Mio. Dollar. Quelle: Spiegel Online

Spiegel Online berichtet über das stetige Wachstum der Vermögen von Superreichen. “Weltweit gibt es im laufenden Jahr 2325 Milliardäre, heißt es in einer Erhebung der Schweizer Bank UBS und des auf vermögende Privatkunden spezialisierten Datenanbieters Wealth X.” (Spiegel Online. 17.09.14) Zur gleichen Zeit müssen andere Menschen Hunger leiden. Damit bestätigen sich nur die Berechnungen vom Ökonomen Pikkety, der davon ausgeht das zunehmende soziale Ungleichkeit im Kapitalismus des 21. Jahrhunderts eine logische Konsequenz dieses Wirtschaftssystems ist.

Die andere Seite der Medaille beschreibt die Welthungerkarte, die den Prozentsatz der Menschen zeigt, die an Hunger und Unterernährung leiden.

“Nach Ansicht verschiedener Beobachter ist der Welthunger nicht von mangelnder Produktion verursacht, sondern von ungerechter Verteilung. Laut UN werden jedes Jahr 1,3 Milliarden Tonnen Lebensmittel in den Müll geworfen, was rechnerisch etwa viermal so viel wie nötig wäre, um das Hungerproblem in der Welt zu lösen. Allein die in den Industrienationen weggeworfene Menge von 300 Millionen Tonnen jährlich würde reichen, um alle hungernden Menschen zu ernähren.[10]” (Wikipedia)  

 

Percentage population undernourished world map.PNG
Percentage population undernourished world map“ von Original uploader was Lobizón at en.wikipedia – Originally from en.wikipedia; description page is/was here.. Lizenziert unter CC BY-SA 3.0 über Wikimedia Commons.

 Weblinks: