Sklavenarbeit im Land des Fussball-Weltcups 2022

Der Guardian berichtet über sklavenähnliche Zustände bei den Arbeitsverhältnissen ausländischer Haushaltshilfen, Reinigungspersonal und anderen Arbeitern in Katar. Viele Betroffene beschweren sich über einbehaltene Pässe, nicht ausgezahlte Gehälter, fehlende Ruhetage und – Chancen die Arbeit wechseln zu können. Über die Arbeitsbedingungen der Bauarbeiter in Katar ist in den Medien bereits berichtet worden.

Nun sind hunderte philippinischer Hausmädchen in den letzten Monaten zu ihrer Botschaft geflüchtet, weil ihre Arbeitsbedingungen zu hart sind. Viele beschweren sich über körperlichen und sexuellen Missbrauch, Demütigungen, Zahlungsausfälle und die Konfiszierung ihrer Mobiltelefone.

Jetzt enthüllt der Guardian dass…

  • dass die philippinische Behörde für die im Ausland arbeitenden Bürger [Philippine Overseas Labour Office (POLO)] über 600 geflüchtete Hausmädchen allein im ersten Halbjahr 2013 aufgenommen hat.
  • Einige der Beschäftigten anscheinend monatelang nicht bezahlt worden sind.
  • Arbeitsverträge und Stellen nach der Ankunft in Katar einfach einseitig geändert worden sind.
  • Sexuell missbrauchte Frauen wegen rechtswidriger Beziehungen angeklagt werden können.

Nach UN-Recht ist die Verweigerung der Gehaltsauszahlung, Beschlagnahme von Dokumenten und Hinderung zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses Zwangsarbeit.

Moderne Sklaverei betrifft heute geschätzt weltweit 21 Millionen Menschen, das zukünftige Fussball-Land Katar scheint solche Methoden anzuwenden.

Enteignungen in Russland, Zwangsarbeit in Katar – alles für den Profisport.

Die Angst der Arbeiter im Golfstaat ist groß. Wenn sie beim Bruch des Arbeitsvertrages erwischt werden drohe den Mädchen ein halbes Jahr Deportationslager. Die Ausweisung ziehe sich noch weiter hin, wenn die Leute ihren Ausweis nicht haben, so James Lynch von AI. Das hiesige Arbeitsrecht schütze sie nicht, somit haben sie auch keine Handhabe vor Gericht. Katar leugnet vehement ein Sklavenhalter-Staat zu sein und möchte die Vorfälle untersuchen.

‹‹„The vast majority of workers in Qatar – domestic or otherwise – work amicably, save money and send this home to improve the economic situation of their families and communities in ther home countries.”›› (Arbeitsministerium Katar. Zitiert nach: Guardian 26.02.14)

Doch die philippinische Aufsichtsbehörde für im Ausland Arbeitende OFW (Overseas Foreign Workers Watch) berichtet dass physischer Missbrauch und die bereits genannten Vorwürfe in Katar geläufig seien.

Diese Anklagen untermauern die Berichte über Arbeitsbedingungen auf den Großbaustellen im Goldstaat – alles für die Fussball-WM. Francois Crépeau, UN-Berichterstatter für Menschenrechte von Migranten, wurde während seines Doha-Besuchs im November zugetragen, dass ungeliebte Hausfrauen einfach wegen Diebstahl verhaftet werden könnten.

‹‹„These are all hearsay stories, but it was quite frequent,“ he said…He also visited the Central Prison, where he found women imprisoned with their babies as they served one-year sentences for adultery because they were unmarried.”›› (Guardian. 26.02.14)

Sharan Burrow, Generalsekretär der Internationalen Handelsunion [International Trade Union Confederation], meint dass einige der eingekerkerten Babies von Vergewaltigungen ihrer Mütter durch deren Arbeitgeber stammen.

 ‹‹“They´ve become enslaved in Quatar, forced into abusive relationships, often become pregnant as a result of forced sexual relationships or rape and then the perpetrator has total power and refuses to sign an exit visa, so they end up imprisioned,” Burrow said. ›› (Guardian. 25.02.14)

Weblinks:

  • Danke Katar! Wie sich die deutsche Wirtschaft in Katar aufstellt,
    wer warum Geschäfte in dem Emirat macht und
    wo die Verantwortung für das Elend der Arbeiter noch liegt (zenith Online. 01.2014)
  • Gastarbeiter in Katar: Die Wahrheit liegt neben dem Platz (Spiegel Online.  19.04.14)

Die syrische Tragödie

Am Mittwoch hat die Heinrich-Böll-Stiftung eine Podiumsdiskussion zum aktuellen Bürgerkrieg in Syrien veranstaltet. Neben einer syrischen Aktivistin des Syrian Women´s Network waren der außenpolitische Sprecher der Grünen, Omid Nouripour (MdB) und Dr. Muriel Asseburg von der Stiftung Wissenschaft und Politik eingeladen.

In der fast zweistündigen Vortrags- und Diskussionsrunde ging es „zunächst um eine grundlegende Betrachtung und Einordnung der Situation vor Ort… [und] welche Rolle die Weltgemeinschaft vor dem Hintergrund der humanitären Katastrophe spielt.“ (hbs)

Während alle maßgeblichen Akteure im Nahost-Konflikt im Laufe des Abends angesprochen worden sind, wäre die Veranstaltung fast beendet worden ohne das ein einziges Mal das Wort Israel gefallen ist. Doch einmal fragt sich MdB Nouripour, dem die Phantasie fehle sich vorzustellen wie Syrien zukünftig in den alten Grenzen noch bestehen könne, welche Auswirkung der zur Zeit „gefährlichste Feuerball“ auf die Welt, namentlich die Türkei und Israel, hat. Eine (pharisäerhafte) Antwort musste ausbleiben.

Über die Haltung Israels zu diesem Konflikt wissen wir wenig, einzig das die AIPAC einen US-Militärschlag in Syrien befürwortet hat.  Der angebliche C-Waffeneinsatz des Regimes wird hingegen kontrovers betrachtet.

Auch der Iran hat in der Diskussion eher eine Außenseiterrolle gespielt. Wir haben eben „wenig Einfluss auf Iran, aber dafür viel Einfluss auf die Golfstaaten“.

Warum das so ist sagt Nouripour nicht, dies kann sich jeder selbst überlegen.

Fokus der Veranstaltung bildete die humanitäre Situation in Syrien und Nachbarstaaten. Die katastrophale Flüchtlingssituation sollte eigentliches Kernthema der Veranstaltung sein.

Nach der allgemeinen Situationsbeschreibung war die Glaubwürdigkeit unseres Standpunktes jedoch ein wenig angekratzt, als die Rolle Russlands in diesem Konflikt schon deutlicher beschrieben worden ist. Der Grüne Nouripour spricht später von einer Position Russlands, die Parallelen zu Zeiten des Kalten Krieges aufweise: „Mittlerweile haben wir eine Verhärtung wie im Kalten Krieg, es gibt keine Argumente mehr, die Russen sagen einfach [nur] nein.“ Als Akteur im UN-Sicherheitsrat haben sie sich sogar gegen humanitäre Hilfsleistungen nach Homs ausgesprochen.

Es wurde ein Bogen zur gewaltsamen Protestbewegung innerhalb von Europa, der Ukraine und Russland, gespannt. Die Haltung Russlands sei u.a. durch die Verhaftung der Girl-Band Pussy Riot deutlich. Dem Plenum war das russische Interesse im Syrien-Krieg danach jedoch immer noch nicht ganz klar. Es stellte sich die Frage ob das Land denn weniger rationelle Gründe bei seiner Einmischung im Syrien-Konflikt habe? Denn auch Russland sei doch mit Terrorgefahr und jihadistischen Gruppierungen konfrontiert. Umzingelt von US-Militärbasen und in Reichweite eines Raketenabwehrschirms gegen Iran müsse Russland doch auch an Ruhe in seiner Region interessiert sein. Nouripour bestätigt dass Russland nach Pakistan und Indien der größten Terrorgefahr ausgesetzt sei und nicht verstehe, warum sich der Westen in russische Interessensgebiete, wie z.B. Georgien, einmische. Es wolle auch als Schutzpatron der nicht-sunnitischen Welt auftreten. „Auf dieser lustigen Sicherheitskonferenz“ in München zeige sich auch an Lawrow die zunehmende Verhärtung des russischen Standpunktes. Der außenpolitische Sprecher der Grünen weiß eben auch nicht, was man den Russen anbieten könne. „Welchen Preis wollen die Russen für ihr Entgegenkommen?“ Die Ukraine?

Geht es in diesem Konflikt und der anfänglichen Protestbewegung um mehr als Gut vs. Böse? Darum ging es doch schon im Irak-Krieg. Die Erwähnung der Ukraine im Zusammenhang der Protestbewegung deutet darauf hin dass es den Akteuren vielleicht auch um die Ausweitung von Handelszonen, um Demokratie gegen Autokratie geht.

Wie es um die Demokratie steht wollte uns auch Edward Snowden klarmachen. Doch wie frei ist die Freiheit des Wortes wenn die Dienste alle meine Passwörter kennen, wenn sie wollen? Sollte ich da besser Selbstzensur betreiben? Es steht in unserer freiheitlichen Demokratie also die Glaubwürdigkeit auf dem Spiel – vor allem wenn es um moralisch legitimiertes Handeln geht. Der Studentenpfarrer meldet sich später aus den Zuschauerreihen zu Wort. Er hat nach eigenen Angaben schon viele syrische Studenten beraten und meint: „Politik wird nicht von Moralität diktiert, sondern politischen Interessen. Ist die Bewahrung Syriens noch politischer Gegenstand?“ Die genauen Interessen aller Akteure sind uns bis zum Schluss nicht ganz klar geworden. Über manche wird mehr berichtet, über andere weniger. So rät uns Frau Dr. Asseburg nicht nur in unsere Medien zu gucken, um sich ein Bild der Situation zu machen. Wir sollten eben auch auf die Botschaften aus Syrien hören.

Ist dort etwas aus dem Ruder gelaufen und ist die Situation jetzt nicht mehr kontrollierbar? Den Anschein macht es. Nouripour sagt dass es zur Zeit des Damaszener Frühling im Jahr 2000 eine reale Chance auf Reformen in Syrien gegeben habe. Doch dann kam 9/11 und seitdem sich Syrien auf der Achse des Bösen wieder gefunden habe, war diese Chance vertan.

Was können wir heute machen? Diese Frage ist nicht so leicht zu beantworten, das Leid der Bevölkerung ist jedoch groß und akut. Es trifft wie immer zunächst diejenigen, die nichts dafür können und für humanitäre Maßnahmen fehlt das Geld. So meint Asseburg das gerade jetzt zu Zeiten der Budgetverhandlungen mehr Medienarbeit geleistet werden müsse, um auf die Situation vor Ort aufmerksam zu machen. Die Frage ist inwieweit sich unsere Regierung aus diesem Konflikt heraushält und was sie tun kann. Ich frage mich, was haben die Terroristen denn eigentlich gegen uns und was sind ihre Argumente?

Bombenstimmung

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Im Steinweg unterhalb des Rannischen Platzes hat die Polizei die Straße abgeriegelt. Offenbar handelt es sich um eine Bombendrohung im Objekt der Sparkasse, die Polizei will jedoch keine genauen Informationen preisgeben um eine Panik zu vermeiden. Derzeit verweist sie auf die Zeitungsberichte morgen. Scheinbar hat es sich um einen falschen Alarm gehandelt. Die Einsatzkräfte sind schnell wieder abgerückt, um 22:25 Uhr war der Ausgangszustand wieder hergestellt. Im gegenüber liegenden Tatoo-Studio und Szenetreff reagierte man skeptisch auf Nachfragen zum Polizeieinsatz und wies auf einen Vorfall vor anderthalb Wochen hin. Was genau gemeint war, blieb jedoch unklar.

Die nächste Blase – die Kohlenstoffblase

Der Radiobeitrag vom SRF berichtet in 5:39 Min. über Aktienbeteiligungen großer Fondsmanager in Energieunternehmen und die Widersprüchlichkeit zu den UN-Klimazielen.

“Die Fondsmanager pumpen das Geld von Sparern, Pensionskassen, Universitäten, Kirchen, Stiftungen und Wohltätigkeitsorganisationen über die Londoner Börse in klimaschädliche Projekte auf der ganzen Welt – und befeuern die Blase so weiter.” (Rohrbeck. In: DIE ZEIT. S.28)

Interviewpartner ist u.a. ein Mitarbeiter der Umweltschutzorganisation 350.org. Die Carbon-Tracker Initiative hat berechnet dass im Jahr 2011 schon ein Drittel des für die nächsten 50 Jahre weltweit vereinbarten Kohlenstoff-Budgets ausgeschöpft worden ist. Die großen Aktien-basierten Energieunternehmen dürften ca. 25 % ihrer lizenzierten Ressourcen ausbeuten, um die vereinbarten Klimaschutzziele zu erreichen.

“Die HSBC, Großbritanniens größte Bank, hat ausgerechnet, dass Unternehmen wie Shell, BP, Eni, Total oder Statoil 40 bis 60 Prozent ihres Marktwertes verlieren könnten, wenn sie die Rohstoffe, die sie sich gesichert haben, unter der Erde lassen. Die Bank of England sieht eine mögliche Gefahr für die Stabilität des Finanzmarktes. Und der frühere US-Vizepräsident Al Gore ist sich sicher:
‹‹Wir haben eine carbon bubble. Und sie wird platzen.››”  (Rohrbeck. In: DIE ZEIT. S.28)

Siehe auch hierzu:

Wie wenige Wirtschaftsvertreter die Mindestlohn-Debatte beherrschen

Die ZEIT meint, wer lernen will wie man ein Gesetz im eignen Interesse formulieren lässt, muss jetzt nach Brüssel reisen.

 „Mindestens 15 000 Lobbyisten verstopfen dort Restaurants und Empfänge; besonders viele sind es, wenn Gesetzesänderungen anstehen, die Banken und Versicherungen betreffen. Vom 13. Februar an kann man ihnen bei der Arbeit zusehen, bei der vierten sogenannten Public-Affairs-Konferenz – hübscher Titel, nicht? Es ist ein Tummelplatz für alle, die EU-Gesetzesmacher beeinflussen wollen: PR-Agenturen, Industrieverbände, Anwälte.“ (Tatje, In: DIE ZEIT. 06.02.14. )

Hauptsächlich sind es Wirtschaftsinteressen, die sich dann in der Gesetzgebung widerspiegeln sollen. Die Mindestlohndebatte wurde in den USA vor den anstehenden Midterm Elections angestoßen. Auch dort gibt es bereits Unkenrufe gegen einen flächendeckenden Mindestlohn. Die New York Times sagt dazu „Fight Over Minimum Wage Illustrates Web of Industry Ties“. Sie klärt uns über die Gemengelage im Kampf gegen den Mindestlohn auf. In Zeitung, Web und TV werden in den USA wohl häufig Warnungen das Employment Policies Institute herangezogen. Das Wirtschaftsforschungsinstitut prognostiziert im Falle eines gesetzlich festgelegten Mindestlohns eine lahmende US-Wirtschaft, steigende Armut und – Arbeitslosigkeit. Die NYT klärt jetzt auf welche Interessen hinter solchen Forschungsergebnissen stecken.

„Even if the legislation never passes – and it is unlikely to, given the polical divide in Congress – millions of dollars will be spent this year on lobbying firms, nonprofit research organisations and advertising campaigns, as industry groups like the National Restaurant Association and the National Retail Federation try to bury it.“ (Lipton. In: NYT. 09.02.14)

Das in der US-Debatte viel zitierte Wirtschaftsforschungsinstitut Employment Policies Institute werde vom Werbe- und PR-Fachmann Richard B. Berman geleitet. Er hat außerdem das  NGO Center for Consumer Freedom gegründet und ist damit gegen Rauchverbot in öffentlichen Gebäuden und verbindliche Kalorienangaben bei Fast Food vorgegangen. Die Zeitung berichtet dass Berman´s Unternehmen in den letzten Monaten ganzseitige Werbeanzeigen bei ihr und dem Wall Street Journal geschaltet habe.

„What is most important, said Lisa Graves, the executive director of an organisation responsible for the online publication PR Watch, is that newspapers derail Employment Policies Institute´s corporate ties when they cite research it publishes. Such disclosure happened in less than 20 percent of the cases over a three-year period, an analysis by PR Watch found.” (Lipton. In: NYT. 09.02.14)

Zudem hat das in Nachbarschaft zum Weißen Haus gelegene Büro eine Metro-Station am Kapitol mit einem riesigen Foto der Demokratin Nancy Pelosi versehen. Sie ziere dabei der Spruch „Teens Who Can´t Find a Job Should Blame Her.“

Doch das ist nicht genug. Das Employment Policies Institute habe wohl gar keine eigenen Angestellten. Gründer Berman´s Werbefirma stellt dem Institut die Dienste seiner Angestellten in Rechnung. Dies mache das nonprofit Institute zu einem gewinnbringenden Unternehmen für Mr. Berman. Nach Berechnungen der NYT konnte seine Werbefirma im Jahr 2012 dem nonprofit-Institut  $1,1 Millionen in Rechnung stellen.

„But its tax return shows that the $2.4 million in listed donations received in 2012 came from only 11 contributors, who wrote checks for as much as $500,000 apiece.”(Lipton. In: NYT. 09.02.14)

Für Berman, Leiter des Instituts und Chef der betreffenden Werbefirma ein lukratives Geschäft. Forschungsdirektor des Instituts, Michael Saltsman, 30 Jahre alt  und mit „undergraduate degree in economics“, stand zuvor beim Bundesbüro für Arbeitsmarktstatistik [federal bureau of Labor Statistics] in Lohn und Brot. Er entwift laut NYT dutzende Briefe an Zeitungsredakteure und Meinungsartikel, in denen er die Ansicht vertritt dass ein Mindestlohn mehr Schaden als Nutzen bringt. Der größte Teil der Instituts-Berichte seien von außen stehenden Akademikern vorbereitet worden. Personen wie „Joseph J. Sabia, .. associate professor of economics at San Diego State University“ hat demnach in den letzten acht Jahren mindestens $180,000 von Mr. Berman´s Gruppe bekommen, um sieben verschiedene Berichte abzuliefern. Jeder Bericht komme zu dem Schluss dass eine Erhöhung des Mindestlohns mehr Nachteile als Vorteile habe.

‹‹”There is never a good time to raise the minimum wage,” Mr. Sabia said at a briefing in the Longworth House Office Building late last month that was co-sponsered by the institute, as he laid out the findings of his newest report to Capitol Hill staff members and reporters.“You are not reaching the poor workers you want to help.”›› (Lipton. In: NYT. 09.02.14)

Sabia betont jedoch die Unabhängigkeit seiner Forschung, die akademische Publikationskriterien erfülle. Wirtschaftsprofessor Saul D.Hoffman der University of Delaware meint dass Sabias-Paper von 2012 basiere womöglich unbeabsichtigt auf zu geringer Datenmenge. Die korrigierte Fassung würde schließlich zeigen dass die Mindestlohn-Erhöhung im Staat New York im Jahr 2004 keine negativen Effekte auf die Beschäftigungsrate hatte –entgegengesetzt zur Schlussfolgerung des Instituts.

Berman wehrt sich dabei gegen jede Behauptung, seine Berichte seien tendenziös oder würden auf falschen Daten beruhen.

Zur gleichen Zeit werden passende Studienergebnisse von Lobbyisten jeglicher Colour herangezogen.

‹‹„Once you have the study, you can point it to it to prove your case – even if you paid to get it written,“ said one lobbyist, who asked not to be named because his clients rely on him to use this technique.›› (Lipton. In: NYT. 09.02.14)

So ist die Mindeslohn-Debatte längst in Deutschland angekommen. Kolja Rudzio vertritt den Standpunkt „Der Mindestlohn wird nicht verhindern, dass Menschen arbeiten und trotzdem Harz IV benötigen.“

„Es wäre besser, die Prioritäten zu überdenken: Millionen Menschen, die Masse der Aufstocker eingeschlossen, fehlt es schlicht an Arbeit und deshalb an Arbeitslohn. Es ist daher leichtfertig, wenn im linken Spektrum viele sagen, der Mindeslohn solle ruhig noch höher sein, um die Jobs, die das womöglich koste, sei es nicht schade. Auch die Bundesregierung macht es sich zu leicht, wenn sie glaubt, mit neuen Lohnvorgaben und neuen Rentenabgaben (die Arbeit verteuern) würde sie das Wichtigste schon anpacken. Was tut sie, um die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen? Wenig bis nichts.“ (Rudzio. In: DIE ZEIT. 06.02.14. S.31)

Weblinks:

Stellschrauben in einem defekten System

Die Tebartz van Elsts,  zu Guttenbergs und Wullfs seien gute Beispiele wie zahlreiche Bauernopfer für die Verblendung wahrer Missstände herhalten müssen und gelungen für öffentliche Empörung sorgen. Mit einem Wink zum Bischof nach Limburg sagt Kirchgänger Rether in seinem Bühnenprogramm, der CDU-Wahlkampf habe auch 30 Millionen Euro gekostet – und davon ist jetzt nichts mehr übrig. Am Ende meint er CDU stehe wohl für Christus dachte umgekehrt. Alle Abgeordneten Gäste einer Politainment-Show hätten in der Syrien-Krise auf eine Bombardierung von Assads Chemiewaffen gedrängt. Nur einem Vorschlag wurde einstimmig als populistisch kritisiert. Sarah Wagenknecht wollte mit Assad reden, nicht bombardieren. Angeblich wähle Rether ja Grün, denn eines sei klar: „Nicht wählen ist wie nicht Zähne putzen. Irgendwann wird es von ganz alleine braun.“

Rethers Anmerkungen zum bösen Nordkorea bilden schließlich das Sahnehäuptchen und sind ein Hochgenuss politischer Satire.

Alle sozialkritischen Anmerkungen des Kabarettisten Rether sind auch an uns selbst gerichtet, durchdacht und stiften wahrlich zum Nachdenken an. „Wie ist es so in der Freiheit?“ fragt er nachdem die Kirche, Snowden und der Mittelstand abgefrühstückt worden sind. Wir haben schon lange alle Informationen, viel geredet und nachgedacht. Doch jetzt ist es Zeit zu handeln! Bänker verteufeln und um die Ecke billige Klamotten aus einer eingestürzten Fabrik in Asien kaufen passe wohl nicht so recht zusammen. Der Banker macht auch nur was ihm logisch erscheint. Wir wissen jetzt dass Hagen Rether Bananen mag und Vegetarier ist. Nach seiner Bühnenshow Liebe 4 verstehen wir auch warum das so ist. Wenn wir weitermachen wie bisher gebe es in 20 Jahren keine Bienen, Speisefisch und Gletscher mehr – eine Logik des gegenwärtigen Systems.

Nach einer komödiantisch-nachdenklichen und auch sehenswerten Veranstaltung verabschiedet sich Hagen Rether mit den Worten: „Paßt auf eure Kinder auf!“ Dafür bekommt er lang anhaltenden Applaus.

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Hagen Rether im Steintor Varieté in Halle

Politik und Wirtschaft gemeinsam gegen ALG II Zuverdienstregelung

Während Präsident Obama die größten US-Wirtschaftsunternehmer von einer neuen Firmenpolitik gegen Diskriminierung Langzeitarbeitsloser auf dem Arbeitsmarkt überzeugt hat, sind sich Politik und Wirtschaft hierzulande über zu laxe Harz IV Regelungen einig.

Jeder neunte Einwohner ist in den Flächenländern im Osten von ALG II-Leistungen abhängig, jeder siebte in den Stadtstaaten, jeder sechzehnte im Westen. (s. Dt. Landkreistag)

Die Welt berichtet jetzt „Warum Aufstockern der Teilzeitjob reicht“ und warum Landkreise und Arbeitgeber das ändern wollen.

Die Landkreise müssen Geld sparen, das weiß man. Aber warum möchte die Wirtschaft die Zuverdienstregelung von Arbeitslosengeld II– Beziehern ändern?

‹‹Kritik an den Zuverdienstregeln kommt auch von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA). “Offensichtlich ist es derzeit für viele attraktiv, nur ein geringes Erwerbseinkommen zum Arbeitslosengeld II hinzuzuverdienen”, erklärt die BDA. “Um wirksame Anreize zur Ausweitung der Arbeitszeit zu setzen, müssen die Regelungen zur Anrechnung von eigenem Erwerbseinkommen auf das Arbeitslosengeld II überarbeitet werden, die bisher niedrige Hinzuverdienste überproportional begünstigen”, fordert die Arbeitgebervereinigung…

Wirtschaftsverbände BDA, der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) und der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) schon vor drei Jahren eine radikale Umgestaltung der bisherigen Regeln gefordert: “Die Freibetragsregelung muss vom Kopf auf die Füße gestellt werden und Anreize setzen eine Vollzeittätigkeit aufzunehmen und den Hilfebezug aus eigene Kraft schnellstmöglich zu beenden.” ›› (Borstel. In: Die Welt. 03.02.14)

Politik und Wirtschaft möchten Anreize zur Aufnahme von mehr Vollzeittätigkeiten schaffen. Dies macht Sinn zu einer Zeit, in der alle Arbeitsmarktprognosen eine steigende Arbeitslosenquote vorhersagen.

“If current trends continue, global unemployment is set to worsen further, albeit gradually, reaching more than 215 million jobseekers by 2018.“ (Global Employment Trends 2014. S.3)

Immer mehr Menschen stehen dem Arbeitsmarkt zur Verfügung und die Wirtschaft möchte durch weitere Sanktionen zusätzliche Anreize zur Arbeitsaufnahme schaffen! Ergo Löhne und Kosten der Arbeitnehmer erscheinen den Wirtschaftsvertretern zu hoch. Die neuen Mindestlohngrenzen sollen für diese Personengruppe dabei schon gar nicht gelten.

Den Armen der Gesellschaft fehlt die Lobby. Über sie wird seitens Politik und Wirtschaft entschieden. Das Kölner Institut für Wirtschaftsforschung, deren Beratungs- und Kommunikationsdienstleistungen kundenorientiert, kreativ und zielgruppengerecht sind, hilft gern dabei:

‹‹In dem Modell, das mit Unterstützung des IW erarbeitet wurde, wird selbst erarbeitetes Einkommen bis zur Grenze von 200 Euro vollständig auf das Arbeitslosgeld angerechnet. Hierdurch entfalle der Anreiz, sich mit einem kleinen Hinzuverdienst zu begnügen…”Menschen, die ihren Job aufgeben, muss man klarmachen, dass sie die Verpflichtung haben, jede Arbeit anzunehmen”, sagt Schäfer. ›› (Borstel. In: Die Welt. 03.02.14)

Die Tochtergesellschaft des Instituts Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) wurde von den Arbeitgeberverbänden der Metall- und Elektroindustrie(Gesamtmetall) gegründet und wird von ihr finanziert (s. Lobbypedia). Da hilft man wohl bestimmt gerne dem Hauptgeschäftsführer des Landkreistages, Hans-Günther Hennike, bei den Plänen zur Entlastung der Kommunen.

Siehe auch:

  •  Langzeitarbeitslose”Die Jobcenter richten großen Schaden an” (ZEIT ONLINE. 24.02.14)
  • Das Märchen vom Fachkräftemangel (Video)