Die syrische Tragödie

Am Mittwoch hat die Heinrich-Böll-Stiftung eine Podiumsdiskussion zum aktuellen Bürgerkrieg in Syrien veranstaltet. Neben einer syrischen Aktivistin des Syrian Women´s Network waren der außenpolitische Sprecher der Grünen, Omid Nouripour (MdB) und Dr. Muriel Asseburg von der Stiftung Wissenschaft und Politik eingeladen.

In der fast zweistündigen Vortrags- und Diskussionsrunde ging es „zunächst um eine grundlegende Betrachtung und Einordnung der Situation vor Ort… [und] welche Rolle die Weltgemeinschaft vor dem Hintergrund der humanitären Katastrophe spielt.“ (hbs)

Während alle maßgeblichen Akteure im Nahost-Konflikt im Laufe des Abends angesprochen worden sind, wäre die Veranstaltung fast beendet worden ohne das ein einziges Mal das Wort Israel gefallen ist. Doch einmal fragt sich MdB Nouripour, dem die Phantasie fehle sich vorzustellen wie Syrien zukünftig in den alten Grenzen noch bestehen könne, welche Auswirkung der zur Zeit „gefährlichste Feuerball“ auf die Welt, namentlich die Türkei und Israel, hat. Eine (pharisäerhafte) Antwort musste ausbleiben.

Über die Haltung Israels zu diesem Konflikt wissen wir wenig, einzig das die AIPAC einen US-Militärschlag in Syrien befürwortet hat.  Der angebliche C-Waffeneinsatz des Regimes wird hingegen kontrovers betrachtet.

Auch der Iran hat in der Diskussion eher eine Außenseiterrolle gespielt. Wir haben eben „wenig Einfluss auf Iran, aber dafür viel Einfluss auf die Golfstaaten“.

Warum das so ist sagt Nouripour nicht, dies kann sich jeder selbst überlegen.

Fokus der Veranstaltung bildete die humanitäre Situation in Syrien und Nachbarstaaten. Die katastrophale Flüchtlingssituation sollte eigentliches Kernthema der Veranstaltung sein.

Nach der allgemeinen Situationsbeschreibung war die Glaubwürdigkeit unseres Standpunktes jedoch ein wenig angekratzt, als die Rolle Russlands in diesem Konflikt schon deutlicher beschrieben worden ist. Der Grüne Nouripour spricht später von einer Position Russlands, die Parallelen zu Zeiten des Kalten Krieges aufweise: „Mittlerweile haben wir eine Verhärtung wie im Kalten Krieg, es gibt keine Argumente mehr, die Russen sagen einfach [nur] nein.“ Als Akteur im UN-Sicherheitsrat haben sie sich sogar gegen humanitäre Hilfsleistungen nach Homs ausgesprochen.

Es wurde ein Bogen zur gewaltsamen Protestbewegung innerhalb von Europa, der Ukraine und Russland, gespannt. Die Haltung Russlands sei u.a. durch die Verhaftung der Girl-Band Pussy Riot deutlich. Dem Plenum war das russische Interesse im Syrien-Krieg danach jedoch immer noch nicht ganz klar. Es stellte sich die Frage ob das Land denn weniger rationelle Gründe bei seiner Einmischung im Syrien-Konflikt habe? Denn auch Russland sei doch mit Terrorgefahr und jihadistischen Gruppierungen konfrontiert. Umzingelt von US-Militärbasen und in Reichweite eines Raketenabwehrschirms gegen Iran müsse Russland doch auch an Ruhe in seiner Region interessiert sein. Nouripour bestätigt dass Russland nach Pakistan und Indien der größten Terrorgefahr ausgesetzt sei und nicht verstehe, warum sich der Westen in russische Interessensgebiete, wie z.B. Georgien, einmische. Es wolle auch als Schutzpatron der nicht-sunnitischen Welt auftreten. „Auf dieser lustigen Sicherheitskonferenz“ in München zeige sich auch an Lawrow die zunehmende Verhärtung des russischen Standpunktes. Der außenpolitische Sprecher der Grünen weiß eben auch nicht, was man den Russen anbieten könne. „Welchen Preis wollen die Russen für ihr Entgegenkommen?“ Die Ukraine?

Geht es in diesem Konflikt und der anfänglichen Protestbewegung um mehr als Gut vs. Böse? Darum ging es doch schon im Irak-Krieg. Die Erwähnung der Ukraine im Zusammenhang der Protestbewegung deutet darauf hin dass es den Akteuren vielleicht auch um die Ausweitung von Handelszonen, um Demokratie gegen Autokratie geht.

Wie es um die Demokratie steht wollte uns auch Edward Snowden klarmachen. Doch wie frei ist die Freiheit des Wortes wenn die Dienste alle meine Passwörter kennen, wenn sie wollen? Sollte ich da besser Selbstzensur betreiben? Es steht in unserer freiheitlichen Demokratie also die Glaubwürdigkeit auf dem Spiel – vor allem wenn es um moralisch legitimiertes Handeln geht. Der Studentenpfarrer meldet sich später aus den Zuschauerreihen zu Wort. Er hat nach eigenen Angaben schon viele syrische Studenten beraten und meint: „Politik wird nicht von Moralität diktiert, sondern politischen Interessen. Ist die Bewahrung Syriens noch politischer Gegenstand?“ Die genauen Interessen aller Akteure sind uns bis zum Schluss nicht ganz klar geworden. Über manche wird mehr berichtet, über andere weniger. So rät uns Frau Dr. Asseburg nicht nur in unsere Medien zu gucken, um sich ein Bild der Situation zu machen. Wir sollten eben auch auf die Botschaften aus Syrien hören.

Ist dort etwas aus dem Ruder gelaufen und ist die Situation jetzt nicht mehr kontrollierbar? Den Anschein macht es. Nouripour sagt dass es zur Zeit des Damaszener Frühling im Jahr 2000 eine reale Chance auf Reformen in Syrien gegeben habe. Doch dann kam 9/11 und seitdem sich Syrien auf der Achse des Bösen wieder gefunden habe, war diese Chance vertan.

Was können wir heute machen? Diese Frage ist nicht so leicht zu beantworten, das Leid der Bevölkerung ist jedoch groß und akut. Es trifft wie immer zunächst diejenigen, die nichts dafür können und für humanitäre Maßnahmen fehlt das Geld. So meint Asseburg das gerade jetzt zu Zeiten der Budgetverhandlungen mehr Medienarbeit geleistet werden müsse, um auf die Situation vor Ort aufmerksam zu machen. Die Frage ist inwieweit sich unsere Regierung aus diesem Konflikt heraushält und was sie tun kann. Ich frage mich, was haben die Terroristen denn eigentlich gegen uns und was sind ihre Argumente?