Um 06:40 Uhr muss ich heute in Valdivia gegenüber vom Busbahnhof aufstehen, um rechtzeitig meine Notunterkunft zu verlassen. Bis zur Abfahrt von Cruz del Sur nach Chiloé um 10:20 Uhr Ortszeit, habe ich noch Zeit ins Internetcafé (Cyber) am Busterminal zu gehen.
Im Bus sehe ich am laufenden Display dass Manzilla Ruiz Victor seit 02:31:13 Stunden den Bus lenkt. Außerdem lese ich “Chofer no debe conducir más de 5 horas.” Wir fahren auf die autopista immer weiter Richtung Süden, bis gegen 13 Uhr bei Llanquihue anstelle des grauen Straßenbelages wieder das Blau des gleichnamigen Sees zu sehen ist. Kurze Zeit später zeigt sich der Vulkan von Osorno durch die Seitenscheibe in voller Pracht.
Um 13:45 Uhr fährt der Bus das Busterminal Municipal in Puerto Montt an, um daraufhin wenige Minuten später die eigene Busstation von Cruz del Sur und Pullmann anzusteuern. Der Bus steuert anschließend weiter nach Süden, um gegen 15 Uhr vom Festland in Parqua nach Chacao auf der Insel Chiloé überzusetzen.
Die Fährfahrt dauert eine halbe Stunde.
Die Fahrt mit der Fähre muss nicht extra bezahlt werden, sie ist im Fahrpreis des Bustickets inbegriffen. Wer nur die Fähre nutzen will, kann sich über die Fährzeiten und Preise auf der Webseite von navieracruzdelsur.cl informieren.
Eine weitere halbe Stunde dauert dann nach dem Anlegen der Fähre die Fahrt bis zum Busterminal in Ancud um 16:05 Uhr.
Die restlichen ca. 90 Kilometer nach Castro in der Inselmitte werden in einer guten Stunde erreicht. Die Fahrt nutze ich, um mir die Insel anzuschauen und sehe dabei durch die Fensterscheibe immer wieder Caterpillar-Baufahrzeuge am Straßenrand stehen. Gegen 17:30 Uhr erreicht der Bus Castro und fährt an den ersten Palafitos im Norden der Stadt vorbei. Diese auf Holzstegen gebauten Häuser haben eine besondere Historie und waren Wohnsitz für und der armen Bevölkerung.
Heute werden diese Gebäude privatisiert und als interessante touristische Anlageprojekte verkauft. So entstehen heute daraus Hotels und Unterkünfte für die Touristen. Zudem werden die Palafitos als Touristenmagnete vermarktet.
Ich suche eine günstige Unterkunft in Castro und suche zunächst einen Tipp im Lonely Planet Reiseführer auf. Dazu bewege ich mich zunächst einmal in Richtung Ufer unterhalb des Busbahnhofes.
In Castro bestehen zahlreiche Möglichkeiten für eine günstige Unterkunft. Die Leute vor Ort vergeben gerne ein Zimmer bzw. Bett für ungefähr 10.000 $ oder weniger pro Nacht. In der Straße Eusebio Lillo (s. mapa de Castro im folgenden Blog-Post) No. 159 schaue ich mir zunächst eine Hospedaje für 9.000 $/ Nacht mit Meerblick an. Sie gefällt mir sehr gut, doch habe ich am Busterminal schon der Frau zugesagt, mir ihre Unterkunft für 8.000 $/ Nacht direkt am Ufer anzuschauen. Ich bin begeistert.
Um 12 Uhr mittags mussten wir die Unterkunft zunaechst verlassen. Meine chilenische Begleitung muss heute abend zurueck nach Santiago, die Arbeit ruft. Wir machen alles in der Unterkunft von Marivel sauber, in der wir die letzten Naechte verbracht haben. Jetzt brauche ein Zimmer, um diese Nacht alleine zu verbringen. Alles wird mit Marivel und Hilfe meiner chilenischen Unterstuetzung abgemacht. Heute Nacht soll ich fuer 10.000$ P. in einem anderen Zimmer mit Gemeinschaftsbad verbringen. Abgemacht. Wir deponieren vorerst unser Sachen bei Marivel in einem alten Schuppen auf dem Gelaende, um den Tag noch gemeinsam verbringen zu koennen. Es soll zum Abschluss heute eine Bootsfahrt um Valdivia werden, um die Stadt einmal von einer anderen Perspektive sehen zu koennen. Bei den zahlreichen Promotern an der Uferpromenade haben wir schliesslich einer “wunderschönen” Bootsfahrt” mit ausgedehntem Landgang und Einkehrmoeglichkeit auf der Halbinsel Punukapa eingewillt. Für 6.500$ Pesos sind wir dabei.
Bis die Tour um kurz vor drei Uhr beginnt, schauen wir uns noch den Merkador Muncipal an. Dieser befindet sich im mehrstoeckigen Gebaeude auf der gegenueber liegenden Strassenseite des Merkador Fluvial am Ufer. Meine Begleitung kauft hier Mitbringsel und Erinnerungsstuecke. Ich kaufe mir einen Mapuche-Poncho. Wer weiss wie kalt es bei meiner Reise weiter in den Sueden Chiles wird.
Es beginnt die Bootsfahrt. Tourguide Mauricio stellt sich vor und wird uns bei der folgendenVeranstaltung begleiten. Wir cruisen den Fluss Calle Calle am Ufer entlang und begeben uns in immer tieferes Fahrwasser. Waehrend der ca. 45-Minuetigen Fahrt erzählt uns Mauricio Geschichten. Leider verstehe ich nicht viel auf dem ueberfuellten Dampfer, das Motorengeraesch uebertrumpft seine Mikrofonstimme.
An Land angekommen warten bereits Kinder, Pferde und ein Gespann auf Kundschaft. Wir entscheiden uns anderen Teilnehmern den Spaziergang anzutreten, immer Maurico hinterher. Unser Weg fuehrt schliesslich zur angepriesenen Einkehrmoeglichkeit. Als erstes faellt mir ein Kindertrampolin auf, daran ein grosses Schild: “15 Min. 1000$P”. Der erste Eindruck stiftet Verwirrung. Die Besuchergruppe sammelt sich an an den Tischen und waehlt nun das Mittagsangebot. Almuerzo fuer 6000$ Pesos. Wir entscheiden uns lieber gegen das Essen und spazieren etwas auf dem Gelaende herum.
Irgendwann haben dann alle gegessen und getrunken. Die Tour geht weiter. Mauricio fuehrt uns zu einem grossen alten Baum. Er fragt uns, ob ein Geschichtslehrer anwesend sei. Eine Frau meldet sich. Dieser Baum ist wohl 280 Jahre alt, Mauricio erzaelt uns die Geschichte des Baumes. Mapuche- Indianer haetten ihre Kinder bei einem Angriff der Spanier auf diesem Baum versteckt. So konnten sie hier ueberleben. Weitere Geschichten folgen… Am Ende heisst es, das Berühren dieses Baumes übertrage positve Energie. Einige glauben daran.
Danach geht es weiter… Wir landen in einem “Museum”. Fuer die ca. 60-Mann starke Gruppe sind Stuehle aufgestellt. Nachdem alle Platz genommen haben, bekommt jeder ein kleines Glaeschen Sidra in die Hand. Er schmeckt gut. Das Ambiente erinnert an eine Kaffeefahrt.
Jetzt haelt uns Maurice 10 Minuten lang einen Vortrag über Äpfel, die heilende Wirkung des Sidra und macht uns das Getraenk noch schmackhafter, als es schon ist. Dann kommt er zum Wesentlichen, es wird verkauft…
Anschliessend geht es ein paar Meter weiter in Richtung Ufer und Boot. Die Gruppe folgt Maurice, vorbei an den aermlich erscheinenden Einwohnern, die am Wegesrand ihren Apfelmost verkaufen wollen. Den will aber hier niemand kaufen. Die Gruppe folgt dem Líder Maurice und wird zu einem weiteren Gebaeude gefuehrt. Allen, die vom Sidra noch nicht genug bekommen haben, wird hier Cerveza angeboten. Natürlich mit einer entsprechenden Geschichte zu diesem Gebraeu.
Ich schaue mir den Garten des Anwesens an. Waehrend Maurice seine Koestlichkeiten verkauft, will ich etwas von den Himbeeren am Strauch naschen. Doch diese sind angeblich kontamiert…
Um 17:30 Uhr haben nun alle ihre Einkäufe getaetigt und befinden sich wieder auf dem Boot. Am Anleger wartet auch schon das naechste Boot, um hier an Land gehen zu können.
Auf dem Rueckweg schippern wir an einem Landstrich vorbei, auf dem sich der erste deutsche Kolonist Karl Anwandter angesiedelt haben soll. Um 17:30 Uhr sind wir dann wieder zurueck am merkador fluvial.. Maurice hilft den Damen beim Aussteigen und sammelt dabei eifrig Trinkgelder ein.
Jetzt muss meine Begleitung ihre Sachen fuer den Heimweg holen und ich will mein neues Zimmer beziehen. Im Stadtviertel ist ein Strassenfest, viele Leute amuesieren sich hier bei Musik und copas. Zurueck bei Marival erfahren wir, dass sich die Situation geändert habe. Das vereinbarte Zimmer fuer mich sei nicht mehr verfuegbar, die Sache sei kompliziert. Meine Chilenen diskutieren mit ihr. Ihr Mann eilt herbei. Um den Hals traegt auch er, wie Maurice, stolz und fuer jedermann sichtbar, den Davidstern. Doch diesmal in gold. Marivell versucht telefonisch eine Ersatzherberge fuer mich ausfindig zu machen, zunaechst vergeblich. Nachher findet sie wohl eine Moeglichkeit in einem Hostel, zum zuvor vereinbarten Preis.
Bevor meine Begleitung zum Busterminal muss, nehmen wir gemeinsam ein Taxi zu diesem Hostel. An der Tuere erfahren wir, dass das Zimmer fuer mich teurer sein soll. Ich lehne dankend ab.
Nun begleite ich zunaechst meine neue Bekanntschaft zum Busterminal. Ich frage, ob es die ganze Nacht geoeffnet hat, falls ich um 22:00 Uhr kein Bett mehr finde… Der Sicherheitsdienst verraet mir, dass das Busterminal in Valdivia zwischen 1:30 Uhr und 2:30 Uhr geschlossen hat. Immerhin, nur zwei Stunden in der Nacht. Das kriege ich schon hin…
Nach der Verabschiedung mache ich mich auf die Suche. Nicht weit vom Busterminal klingel ich bei den nahegelegenen Hospedajes. Nach zwei Absagen erbarmen sich die Leute aus dem Kiosk gegenueber des Terminals, mich fuer 10.000$ P. bis zum naechsten Morgen aufzunehmen.
Von Villarica geht es heute weiter. Von der Region Araucania weiter südlich nach Valdivia in der Region Los Rios. Das Mapu Hostel in der Nähe des Lago Villarica und ca. 15 Min. Gehminuten vom Busterminal entfernt, hat uns gut gefallen. Vor allem die große und gut ausgestattete Gemeinschaftsküche ist ein Pluspunkt. Die Duschkabinen sind ein wenig eng, alles in allem ist das Hostel aus meiner Sicht durchaus weiterzuempfehlen.
Da von Villarica aus zunaechst nur JACin Richtung Süden fährt, haben wir zuvor am Busterminal hier für 4.500 $ Pesos ein Ticket in die Hauptstadt der Region De Los Ríos, Valdivia, gekauft. Pünklich um 09:20 Uhr hat der Bus das Terminal verlassen. Auch in Bussen bestätigt sich immer wieder, dass Hygientuücher für WC-Besuche auf Busreisen ein nützliches Utensil sein können. Es scheint immer wieder Leute zu geben, die sich gnadenlos in ihrer Zielgenauigkeit beim Pinkeln überschätzen und zu faul sind, eine noch so kleine Klobrille hochzuklappen.
Um kurz nach 12 Uhr kommen wir schließlich in Valdivia an und suchen unsere Unterkunft auf. Im Busterminal zähle ich 16 verschiedene boleterias bzw. Busgesellschaften für eine zukünftige Weiterreise.
Beim Absetzen des Rucksacks in der neuen Unterkunft fällt mir dann auf, dass ich meinen bolso de plastico im Bus vergessen habe. In der Plastiktüte waren nicht nur meine abgelatschten Ausgehschuhe. Auch das Campinggas, das mir Antonita und Felipe vor ihrer Heimreise im Mapu-Hostel freudlicherweise überlassen haben, wollte ich nicht ganz abschreiben. Ein Versuch war es wert, also ging es mit einer meiner Begleiterinnen zurück zum Busterminal. Die Angelegenheit wurde daraufhin in der boleteria von JAC kurz erörtert. Nach 20 Minuten hatte ich meinen Beutel samt Inhalt wieder in den Händen. Danke JAC.
Es folgte ein kleiner Stadtspaziergang entlang des Rio Calle Calle. Schön war dabei auch der merkador u.a. mit Obst- und Fischständen anzusehen. Direkt hinter den Fischständen am Fluss tummeln sich allerlei Vögel und Meeresgetier. Sie profitieren von den abfallenden Resten der Fische, die für den Verkauf vor Ort ausgenommen und vorbereitet werden. Interessant ist auch hier wieder die existierende Hackordnung zu beobachten. Diese beschränkt sich keinesfalls nur auf die Lobo Marinos, wie zu beobachten ist. Wie schon in Valparaiso erfahren, scheint das Leben eines Lobo Marinos nicht das schlechteste zu sein. Doch Valparaiso scheint wirklich der Platz an der Sonne zu sein, vor allem vor dem Fischmarkt vor Ort.
Der Spaziergang wird anschließend fortgesetzt…
Auf der Suche nach einer Einkehrmöglichkeit sind wir schließlich in einem Restaurant in Ufernähe des Rio Calle Calle in Valdivia gelandet. Auf dem Balkon gab es einen schönen Ausblick, doch den konnte ich vor der Bestellung nicht so richtig auf mich wirken lassen. Die Küche mache am frühen Abend schon zu, hieß es.
Eine schnelle Entscheidung musste getroffen werden. “Ich nehme das da in der Karte” konnte ich nur noch sagen. Hier war das Entscheidungskriterium eher der Preis, als dass ich wüßte, was ich da bestellt habe. Aber das kleine Wörterbuch in meiner Hosentasche hätte mir da auch nicht weiterhelfen können. Am Ende hatte ich Glück, der Fisch hat geschmeckt. Welcher es gewesen ist, werde ich dann wohl nie mehr erfahren…
Freiheit ist immer die Freiheit des Andersdenkenden. [Rosa Luxemburg]