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HSBC-files: Die Bank und die Verbrecher

Heute wollen die EU-Finanzminister über die griechischen Reformvorschläge in einer Telefonkonferenz entscheiden. Die von Deutschland und anderen Geldgebern geforderte Reformliste wurde in der Nacht eingereicht. Ein Vorschlag Griechenlands für die Verlängerung der Milliardenkredite ist die Bekämpfung von Steuerhinterziehung und Korruption. (vgl. Spiegel Online. 24.02.15) Doch wie soll so ein Kampf stattfinden, wer sind die Kombattanten und wo befindet sich das Schlachtfeld? Dies müssen vor allem die demokratisch gewählten Politiker, wie der griechische Finanzminister Varoufakis, entscheiden. Auf einem ganz anderen Schauplatz werden derzeit, fast unbemerkt von der deutschen Öffentlichkeit, die Gehilfen so mancher Steuerhinterzieher entlarvt.

Die so genannten Offshore-Leaks über die weltweit zweitgrößten Bank HSBC geben Aufschluss über die Geschäftspraktiken einer ehrenwerten Gesellschaft. Die internationale Journalistenvereinigung, bestehend unter anderem aus dem britischen Guardian, der französischen Le Monde, BBC Panorama und dem International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ) in Washington enthüllen weitere Missetaten der Finanzelite.

Dabei handelt es sich um ein Geflecht aus Banken, Politik und organisierten Verbrechen. Ziele sind Steuerentlastung und Profitmaximierung der einzelnen Akteure.

Zu Beginn steht das Leck durch einen IT-Technikers der HSBC-Filiale in Genf.

Dieser hatte zunächst Daten über 30,000 Konten mit Einlagen von ungefähr 120 Milliarden Dollar in der Periode 2005-2007 an die Behörden weitergegeben. Der Computertechniker Hervé Falciani hatte diese Daten, Swiss Disk genannt, an französische Behörden ausgehändigt.

Monate nachdem Frankreich die Swiss Disk mit Informationen zu Vergehen der HSBC Bank vertraulich an die britische Steuerbehörde weitergeleitet hatte, wurde der HSBC Vorstandsvorsitzende Stephen Green vom konservativen Premierminister David Cameron Ende 2010 zum Minister for Trade and Investment benannt. (vgl. Guardian 09.02.15)

Der damals amtierende Chef dieser Steuerbehörde HMRC (Her Majestry Revenue and Costums), Dave Hartnett, hatte nach dem französischen Angebot zur Weitergabe der Daten an seine Behörde eine Konsultation im Londoner HSBC-Hauptquartier. Das Gästebuch der Bank weist seinen Besuch für den 11.Februar 2010 nach. Anfang Februar wurde die Swiss Disk überreicht. Worüber im HSBC-Hauptquartier genau gesprochen wurde, möchte Harnett dem Guardian nicht verraten. Später wird enthüllt, dass Hartnett´s Steuerbehörde HMRC versäumt habe, relevante Informationen zu den Vergehen der HSBC Bank unter Stephen Green an das britische Außenministerium weiterzugeben. Dabei ist seine Behörde vor der Ernennung Greens zum Minister dieser Zeit um eine Einschätzung zur Person Stephen Green gebeten worden. (vgl. Guardian 10.02.15)

«It did not inform the government that it was in possession of thousends of secret account files from the Swiss bank, which implicated HSBC in major tax evasion and other potential criminal offences.» (Guardian. 10.02.15)

Sechs Monate nach dem Ruhestand Harnetts bzw. zwei Jahre nach Übergabe der Swiss Disk an seine Behörde, arbeitet er als Berater für die HSBC-Bank. Er soll bei Anti-Geldwäsche-Maßnahmen beratend zur Seite stehen. In seiner ehemaligen Behörde HMRC liefen jedoch zu dieser Zeit schon Untersuchungen zu dieser Angelegenheit. (vgl. Guardian. 09.02.15)

Doch mit dem Jahr 2010 gingen im Vereinigten Königreich auch politische Veränderungen einher. Die konservative Koalition unter Premier David Cameron ergriff die Macht. Nur einige Wochen später wurde bekannt dass HSBC-Vorsitzender Stephen Green seinen Posten mit £1.25 Millionen Jahresgehalt aufgeben wolle und vom Premierminister Cameron dazu überredet worden sei, die Posten als Wirtschaftsminister (trade minister) bei den Konservativen anzunehmen. (vgl. Guardian. 09.02.15) Die Offshore-Leaks zeigen, dass die Tories um die Conservative Party von Cameron über £5 Millionen von schweizer HSBC Konto-Inhabern erhalten haben. (vgl. Guardian. 11.02.15)

«The Conservatives have raised over £5m from HSBC clients recorded with Swiss accounts, while Labour has also benefited from cash and gifts in kind worth over £500,000, as well as a loan for £2m…A number of political donors found to have Swiss accounts are also high profile members of Britain´s growing non-dom community – the tens of thousends of wealthy foreign residents attracted to the UK by a historical quirk which allows them to live in the country without paying inheritance tax on assets owned offshore, by claiming they will eventually retire abroad.» (Guardian. 11.02.15)

Der damalige business secretary Vince Cable lobte Green bei seiner Ernennung als zukünftigen Minister für sein gutes Krisenmanagement nach der Finanzkrise2008 und ethischen Verhaltenskodex:

«One of the few to emerge with credit from the recent financial crises, and somebody who has set out a powerful philosophy for ethical business.»(Guardian. 09.02.15 [1])

In seiner Buchveröffentlichung predigt Lord Green, seit 1988 Geistlicher der Church of England und späterer Minister, über die Notwendigkeit moralisch-ethischen Verhaltens in der Geschäftswelt. In seinem 2009 erschienen Buch „Good Value: Reflections on Money, Morality and an Uncertain World.“ legt Green Geschäftsführern nahe, nicht nur legal, sondern ethisch und selbst darüber hinaus zu handeln. (vgl. Guardian. 09.02.15[1])

Doch die Realität sieht anders aus.

Nach Bekanntgabe der Offshore-Leaks stellt sich die Frage nach Green´s Rolle und mangelnde Kontrolle über den Schweizer HSBC-Geschäftszweig. Seit 2005 war Green nämlich Vorsitzender der Aufsichtsgesellschaft HSBC Private Banking Holdings (Suisse) S.A. Die Genfer Geschäftsstelle der Bank hat Eliten und Wohlhabenden aus verschiedenen Gesellschaften aktiv zur Steuerflucht verholfen. (09.02.15[1])

Schon 2012 ist die HSBC, weltweit zweitgrößte Bank, in Zusammenhang mit dem Organisierten Verbrechen aufgefallen. Damals verhängten US-Behörden eine Strafe von $1.9 Milliarden, weil der Mexikanische Geschäftszweig der Bank das Geld von Drogenbanden und anderen zwielichtigen Gestalten angenommen und damit gearbeitet hat. (vgl. Guardian. 09.02.15[1])

Die neuesten Recherchen zeigen, dass die Bank nun in der Schweiz hohe Bargeldsummen angenommen und bei der Vertuschung dessen Herkunft geholfen habe. So wurden laut Guardian geheime Konten für bekannte Oligarchen, Despoten, Blutdiamanten-Händler und Waffenschieber eröffnet. Bestechungs-, Drogen-, und Dopinggelder wurden von der Bank ebenfalls gerne angenommen. Dies geschah trotz Verpflichtung zur Einholung von Hintergrundinformationen und auch öffentlicher Kenntnis zum betreffenden Personenkreis. (vgl. Guardian. 12.02.15) Ungeheuer hohe Transaktionssummen sind normalerweise ein klassisches Warnzeichen für Banker. Doch anstatt Fragen zu stellen wurden in der Genfer HSBC Private Bank, No 2, Rue Dr-Alfred-Vincent, große Pakete mit nicht rückverfolgbaren Notenbanken ausgehändigt. Allein 2005 kamen Tag für Tag zahlreiche Inhaber von Nummern-Konten aus dem Vereinigten Königreich, Frankreich, Deutschland, Skandinavien, den USA, Italien, Spanien, Belgien und den Niederlanden in der Bankfiliale an. Sie kamen mit Pfund, Dollars, Kronen und Euros, Währungen mit wenig Nutzen innerhalb der Schweiz. Manche Bankkunden sagten sogar offen, dass sie Steuern umgehen möchten. (vgl. Guardian 09.02.15[2])

«Presented with this evidence by the Guardian, HSBC now admits that after it purchased the Geneva bank in 1999 “too many…high-risk accounts were maintained” and the “compliance culture and standard of due diligence” were low.» (Guardian. 12.02.15)

Der Guardian berichtet auch über das who is who dieser speziellen Bankkunden. (vgl. Guardian. 12.02.15) Vermögende wurden außerdem von der Bank kontaktiert und ihnen wurden Vorschläge unterbreitet, wie Steuergelder durch ein neu verabschiedetes EU-Abkommen mit der Schweiz umgangen werden könne. (vgl. Guardian. 08.02.15)

«HSBC´s Swiss bankers aggressively marketed a device that would allow its clients to avoid a new tax introduced under a a treaty Switzerland signed with the European Union, the HSBC files reveal.

The documents show for the first time that rather than acting as a passive party to the tax schemes of its clients, HSBC Suisse proactively contacted clients to market techniques that would have effectively sabotaged the tax treaty deal.» (Guardian. 10.02.15 [2])

Die European Savings Directive (EUSD) von 2003 hat den EU-Bürgern gestattet, weiterhin Milliarden-Gelder auf anonymen Schweizer Konten zu deponierten. Doch im Gegenzug haben sich die Schweizer Banken dazu verpflichtet, eine Steuer auf die Guthaben an die jeweiligen Herkunftsländer zu entrichten. (vgl. Guardian. 10.02.15 [2])

Nachdem die Bank ihren Kunden die Funktionsweise des EUSD genau erklärt hatte, akzeptierten diese schließlich die Errichtung eines neuen Offshore Unternehmens. Ziel war die Umgehung der Steuer durch die Bank. Laut dem ehemaligen Steuerprüfer Richard Brooks zeigen die HSBC-files, dass die Bank ihre Kunden aktiv dazu ermuntert habe, die Steuer zu umgehen. (vgl. Guardian. 10.02.15) [2]

«`OK you don´t have to play along with those, we´ve got another product for you that will allow you to carry on evading tax.´”» (Guardian. 10.02.15 [2])

Nachdem Stephen Green 2010 seinen Vorstandsposten bei der Bank abgegeben und in die Ministerriege gewechselt ist, übernimmt Stuart Gulliver den Bankenvorsitz im Januar 2011. (vgl. Guardian 09.02.15) Doch auch er hat £5 Millionen seines Vermögens auf dem Schweizer HSBC-Konto einer Schattenfirma namens Worcester Equities Inc. auf Panama gebunkert, wie der Guardian berichtet. Gulliver verteidigt sein angeblich legales Verhalten mit einer fadenscheiniger Begründung. (vgl. NYT. 23.02.15)  Ein zweites Konto von ihm wurde bereits vor 2007 geschlossen. Auch wenn er im Vereinigten Königreich arbeitet, Steuern zahlt er mit seinem so geannten non-dom status aber in Hong Kong. Dies ist sein offiziellen Wohnsitz.

«”Hong Kong continues to be .. home albeit that our client now works primarily in the UK. Al a matter of law, our client is domiciled in Hong Kong.”, sagt ein Repräsentant Gullivers.» (Guardian. 23.02.15)

Mit dem non-dom status (not domiciled) sind Erleichterungen bei der Erbschaftssteuer und im Ausland erzielten Einkommen verbunden. Zudem wurde Gulliver nicht von der HSBC-Haupt-Holding unter Vertrag genommen, als er zum chief executive 2011 berufen wurde. Der Guardian enthüllt dass er über die HSBC Asia Holdings mit Hauptquartier in Holland abgestellt worden ist, anstatt über die Muttergesellschaft im Vereinigten Königreich. Doch diese Praxis wird auch bei ca. 350 anderen Mitarbeitern angewendet. (vgl. Guardian 23.02.15)

Zur gleichen Zeit wird bekannt, dass von den Milliarden-Krediten von IWF, EU und EZB an Griechenland rund 90% für Zahlungen an Finanzinvestoren gegangen sind. Rund 10% haben die griechischen Bürger erreicht. (vgl. jubileedebt.org. 18.01.15)

 Weblinks:

 

Ein guter Arbeitsplatz

t3n zeigt die Infografik der Universität South California über die Entwicklung des Arbeitsplatzes seit dem letzten Jahrhundert. Der Online-Master Studiengang der angewandten Psychologie haben dabei die drei Hauptfaktoren herausgefunden, die für Wohlbefinden und Produktivität am Arbeitsplatz sorgen: Geräuschpegel, Luftqualität und das Maß an Tageslicht am Arbeitsplatz. Diese Faktoren tragen demnach maßgeblich zur Mitarbeitermotivation und Produktivität bei. Die Infografik in englischer Sprache zeigt dabei die Entwicklungsstufen des amerikanischen Arbeitsplatzes, der z.T. auch hierzulande Einzug gefunden hat.

USC Online Masters in Applied Psychology program

Neues aus der Buddelkiste über TTIP

Ein Freihandelsabkommen zwischen den USA und Europa. Doch für wen gilt diese Freiheit, sind solche Abkommen nicht auch wirtschaftliche Schutzzonen für bestimmte Marktteilnehmer?

Doch an einer Freiheit sollten wir weiterhin festhalten. Sie legitimiert unser politisches System, nebst der Freiheit von Wirtschafts- und Interessenvertretern, Einfluss auf die Politik zu nehmen:

“Die Presse muss die Freiheit haben, alles zu sagen, damit gewissen Leuten die Freiheit genommen wird, alles zu tun.” (Terrenoire)

Weblinks:

“Da hat sich die BLU-Nummer wohl wieder geändert”

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Wir kennen die Methodik ja schon von anderen Supermärkten. Doch jetzt trifft es den NP-Diskount. Wegen einer aufmerksamen Bloggerin musste schon der Online-Shop von REWE seine Preisgarantie “Preise wie im Markt” kippen. Sie hatte “sich bei ihrer Bestellung über einen erheblichen Unterschied zum Ladenpreis gewundert”.  T3N kommentiert dazu: “Vorreiter REWE trifft auf die Realität“. Wer hat da nicht schon eigene Erfahrungen gemacht.

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Wer glaubt sich auf die Preisschilder bei Sonderangeboten verlassen zu können, der irrt auch hier. Zugegeben, ein bisschen verwirrend ist die Preisdeklaration ja schon. Für ein Frühstücks-Croissant 39 Cent anstatt 59 Cent zu zahlen ist ja eine schöne Sache. Doch warum werden dann an der Kasse im NP-Markt 89 Cent berechnet? Wer versteht schon die Preispolitik der Großhandelskonzerne, die laut Süddeutscher Zeitung in ihren Entscheidungswegen Fürstentümern ähneln.

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“Da muss sich die BLU-Nummer wohl wieder geändert haben” bemerkt die freundliche Kassiererin. Doch warum sich diese Nummern ändern, anstatt die Preise zu den Artikeln zu korrigieren, das kann auch sie mir nicht sagen.

Griechischer Finanzminister Varoufakis will Licht ins Dunkel bringen

Der Wahlsieg der linken Syriza-Partei in Griechenland zeige laut New York Times eine große Spaltung in Europa. Über Argumente zu Austeritätspolitik hinaus zeige sich ein tieferer Konflikt demokratischer Willensbekundung. Es stehen sich die Ansichten der griechischen Wähler, verzweifelt über die Konsequenzen der Sparpolitik auf ihre Lebensbedingungen, und die monetären Interessen der Deutschen, Finnen und Niederländer gegenüber. In der westlichen Presse ist man sich darüber einig dass am Ende der Steuerzahler für die Schulden der Griechen aufkommen müsse.

 

BILD dir deine Meinung
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Doch warum gleichzeitig die Krisenverursacher und Profiteure des Finanzsystems weitere Millionen-Gewinne und Bonis ausschütten können, wird nicht erklärt. Am Ende muss immer der Schwächste für Dominanz und Fehler der Starken zahlen. Die Syrizaj-Partei will nun 8000 neue Ärzte und Krankenpfleger einstellen und die EZB monatlich Staatsanleihen für 60 Milliarden aufkaufen. Das eine scheint zu gehen, das andere nicht.

Der neue griechische Finanzminister Yanis Varoufakis hat gestern auf seinem Blog ein Radiointerview mit dem Moderator Phillip Adams und ihm veröffentlicht. Auch er spricht bei dem Wahlsieg seiner Partei von einem demokratischen Prozess der Willensbildung. Auf die Finanzkrise angesprochen sagt er…

Moderator: „Do you seek full responsibility for the financial and economic crises in the EU?”

Varoufakis: “No, … and yes. We became part of a monetary union that was not designed to sustain a mayor financial crises…Greece was responsible for being the first domino. It is not responsible for the domino effect.”

Varoufakis veranschaulicht die humanitären Situation in der Krise und geht davon aus dass die Menschen seine Partei gewählt haben, damit sie sich mit der Oligarchie anlege.

Varoufakis : „The people voted on us in order to clash with the oligarchy.“

Zuvor sagt er dass Establishment könne gestürzt werden durch… Stille macht sich breit und der Moderator bemerkt schließlich nur noch „we lost him.“ Doch schnell kriegen sie ihn wieder in die Leitung und er kann seine Botschaft weiter verbreiten. Er habe schon dem Chef der EU-Gruppe und einigen Finanzministern Europas gesagt dass es einen breiten Handlungsrahmen zur Reduzierung der humanitären, ökonomischen und finanziellen Kosten gebe, außer für bestimmte Interessengruppen, die von einer Verschärfung der Krise profitiere. Gemeint seien damit Finanziers, die darauf spekulieren und darin investiert haben.

Varoufakis: „My message the head of the EU-group and finance ministers of… There is plenty of scope for minimalizing the human costs and economic costs and financial costs except from certain groups that benefit from deepening the crises. You can imagine certain financiers that have invested in it.”

In den Gesprächen bei ausgeschalteten Mikrofonen würden die EU-Kollegen auch ganz anders mit ihm über die Dinge reden, die es anzupacken gelte. Sie hätten ganz frische Ideen. Doch sobald die Mikrofone angeschaltet seine folgten sie alle, genau wie damals in der Sowjetunion, der vorgegebenen Partei-Linie.

Griechenland sei allein nicht fähig Europa zu verändern. Aber sie können ein bisschen Licht in die große Finsternis des Schweigens bringen.

Varoufakis: “We are going to say things as they are. Hopefully it will open a small door into the light.”

Weblinks:

Der Kampf um Libyens Zentralbank

Der Machtkampf in Libyen weitet sich auf die zukünftige Kontrolle der Libyschen Zentralbank aus. Diese Woche haben Aufständische der kriegführenden Parteien eine der zwei Zentralbank-Filialen unter ihre Kontrolle gebracht. Seit dem Sturz von Muammar Gaddafi ist das Land in verschiedene Fraktionen gespalten. Die U.N. haben den Angriff auf die Bank im östlich gelegenen Benghasi scharf verurteilt und in Genf eine Verhandlungsrunde der beteiligten Konfliktparteien initiiert. Ergebnisse sind zurzeit nicht bekannt, Reuters berichtet von anfänglichen Schwierigkeiten bei den Verhandlungsversuchen.

Die Zentralbank fungiert laut New York Times als Depot für 100 Milliarden Dollar in Auslandseinlagen. Ein Großteil davon lagert in westlichen Finanzzentren. Auch die Erlöse aus dem Ölgeschäft werden über die Bank abgewickelt. Durch anhaltende Kämpfe resultieren hier Einschnitte von ursprünglich 1.7 Millionen Barrel auf unter 250.000 Barrel täglicher Ölfördermenge. Die NYT berichtet dass die Zentralbank stets um Neutralität bemüht sei und ebenso als Finanzier des Außen- und Verteidigungsministeriums fungiere.

Doch die Etablierung von zwei rivalisierenden Regierungen, eine im westlich gelegenen Tripoli und die andere in den östlichen Städten Tobruk und Bayda, strapazieren die Neutralitätsbemühungen der Zentralbank, über die u.a. die Beamtengehälter ausgezahlt werden.

Die Tobruk-Bayda- Regierung ist laut NYT unter de facto Kontrolle des desertierten Gaddafi-Generals Khalifa Hifter, der letztes Jahr ein Militärputsch angekündigt habe, um das Land von Extremisten zu befreien. Er spricht sich für die Absetzung des derzeitigen Vorsitzenden der Zentralbank, den Ex-Banker Sadik el-Kaber, aus. Doch dieser sieht von einem Rücktritt vom Hauptquartier in Tripolis ab. Die (ehemalige) Hauptstadt wird laut Bericht von moderaten Islamisten, Extremisten und Militanten der Hafenstadt Misurata kontrolliert. El-Kaber habe bereits Meetings mit US- und britischen Diplomaten, als auch Beamten aus dem Weißen Haus, Außen- und Finanzministerium in Washington abgehalten. Diese scheinen an seiner Position festzuhalten.

Die Gegenseite um Kommandeur Hifter habe den Tresor noch nicht geöffnet und bis zum Tag der Veröffentlichung am 22. Januar nur technische Einrichtungsgegenstände entfernt. Ein Verhandlungsergebnis scheint noch auszustehen.

Weblinks:

Alles wieder auf Anfang

Als wäre nichts geschehen werden an der Wall Street wieder die höchsten Gehälter gezahlt, DIE ZEIT berichtet von der „Rückkehr der Boni-Banker“.

„Goldman etwa verteilte nach dem Krisenjahr 2009 Aktien im Wert von 3,6 Milliarden Dollar an seine Mitarbeiter, die diese allerdings erst frühestens im Januar 2015 verkaufen dürfen. Goldmans Aktienkurs ist seither um 40 Prozent gestiegen – damit sind die Mitarbeiter-Aktien heute mehr als fünf Milliarden Dollar wert. Auch die Belegschaft der Bank of America kann den Jahresanfang mit einem kollektiven Aktiengewinn von 1,8 Milliarden Dollar feiern.“ (Buchter. In: DIE ZEIT. 17.12.14. S.25)

Wollte man es nicht nach der großen Finanzkrise, die unser Weltfinanzsystem ins Trudeln gebracht und schließlich mit Steuergeldern wieder aufgepäppelt wurde, in Zukunft anders machen? Riskante Finanzprodukte und Hochrisikopapiere versprechen jedoch einen hohen Gewinn. Wer es schafft seinen Müll zu verkaufen und selbst der Müllsammler zahlreiche Abnehmer für die toxischen Stoffe findet, machen alle einen guten Schnitt. Auf der größten Müllhalde saß einmal die Bank Lehman Brothers. Doch deren Papiere hatten wiederum viele andere Finanzmarktteilnehmer bebunkert. Eine Kettenreaktion musste verhindert werden.

Der große Aufschrei nach dem Crash war groß, die Politik musste den Karren aus dem Dreck ziehen und die Suppe schließlich auslöffeln, die sie sich selbst eingebrockt hatte. Irgendwie hat man dann mehr oder weniger eingesehen, dass der Finanzmarkt reguliert werden müsse. Der Markt regelt sich eben nicht von selbst, wie es die Neoliberalen lauthals behauptet haben. Die Beschneidung der (Handlungs-) Freiheit ist wohl nicht mit demokratischen Werten vereinbar. Die Konservativen und Wirtschaftsvertreter meinen, der Staat halte sich am besten aus allem heraus.

Nach den Kongresswahlen in den USA haben die Republikaner wieder die Oberhand gewonnen und dort, wo fast jeder Volksvertreter mehrfacher Millionär ist, werden anfängliche Regulierungsversuche der Finanzindustrie Schritt für Schritt aufgehoben.

Mit dem Dodd-Frank-Act sollte den systemrelevanten Banken ein bisschen die Freiheit genommen werden, alles tun zu können um Gewinne unter hohen Risiken zu privatisieren und große Verluste anschließend zu solidarisieren. Doch diese Rechnung ist ohne die Lobbyisten der Branche gemacht worden.

„As of Nov.16, Wall Street banks and other financial interests had spent $1.2 billion on campaign contributions and lobbying combined, a total that was on track to beat spending in 2010, when Dodd-Frank was being considered in Congress…” (Weisman & Lipton. In: NYT. 13.01.15)

Schließlich sind die Volksvertreter in die Knie gegangen und haben sich der Finanzlobby gebeugt. Schon Anfang Dezember hat die New York Times über die Gesetzesvorlagen zur Verabschiedung des US-Haushalts berichtet. So hat es die Finanzmarkt-Lobby geschafft, eine Lockerung der Restriktionen beim Dodd-Frank-Act an die Verabschiedung des US-Haushalts zu koppeln.

„One bill would amend the so-called Volcker Rule, a centerpiece of Dodd-Frank. Another bill that lawmakers plan to include in the government funding plan was essentially written by lobbyists for Citigroup.” (Protess. In: NYT. 09.12.14)

Damit die US-Regierung bis September 2015 handlungsfähig bleibt, muss sie doch wieder für die Ausfallrisiken verschiedener Banken-Derivate haften. Schon ein Kompromiss im Dodd-Frank-Gesetzesentwurf ist faul gewesen.

„As The New York Times reported last year, lawmakers adopted nearly every word of Citigroup´s plan in drafting a bill. The bank´s recommendations are reflected in more than 70 of the 85 lines of that bill.” (Protess. In: NYT. 09.12.14)

Die Politiker wurden von den Interessenvertretern überzeugt. Die so genannte swaps push-out rule, bei der hochriskante Papiere nicht mehr durch die Regierung abgesichert werden sollen, berge zu große Gefahren für kleinere Banken. Tatsächlich werden, so die New York Times unter Berufung auf das Office of  the Comptroller of Currency,  95 % dieser Derivate von fünf Banken gehandelt: Bank of America, Citigroup, Goldman Sachs, JPMorgan Chase und Morgan Stanley. (vgl. Weisman & Lipton. In: NYT. 13.01.15)

Das neue Gesetz wurde letzte Woche zusammen mit dem neuen US-Haushalt verabschiedet, ebenso die Re-Autorisierung eines Gesetzes zur Übernahme entstandener Kosten durch Terroranschläge. (federal terrorism insurance) Timing ist eben alles in der Politik.

US-Gesetzgeber haben nun im Repräsentantenhaus mit 250 zu 175 Stimmen über ein weiteres Maßnahmenpaket abgestimmt, dass neue Restriktionen für Bundes-Regulatoren auferlegt. Doch die Mitglieder des Repräsentantenhauses wollen die Dodd-Frank-Regeln mildern und der Finanzindustrie damit entgegen kommen.

Der neue Gesetzesentwurf ist am Mittwoch mit Unterstützung von 28 Demokraten mit 271 zu 154 Stimmen verabschiedet worden. Der Entwurf, zwei Wochen nach der Konstituierung des neuen US-Kongress verabschiedet, ist eine Priorität der US-Republikaner und weicht den Dodd-Frank-Act weiter auf. Als nächstes muss der US-Senat darüber votieren. Doch auch hier gibt es seit November 2014 eine republikanische Mehrheit. (vgl. Marcy Gordon. In: AP. 14.01.15)

„The strategy on Dodd-Frank is death by a thousand cuts.“ (Marcus Stanley, policy director of Americans for Financial Reform.” In: NYT. 14.01.15)

704 registrierte Finanzmarkt-Lobbyisten haben sich die Politiker gekauft und versuchen ihre Interessen durchzusetzen. Das US House of Financial Services Commitee, wo die Gesetzgebung typischerweise beginnt, ist Empfänger von Wall Street-Spenden. (vgl. Weisman & Lipton. In: NYT. 13.01.15)

„During the last Congress, Representative Jeb Hensarling of Texas, the Republican chairman of the commitee, received donations on 13 separate occasions from political action commitees run by Bank of America, Citigroup, Goldman Sachs and JP Morgan Chase.” (Weisman & Lipton. In: NYT. 13.01.15)

Ein Bank-Lobbyist freut sich schon und sagt dass mit der neuen republikanischen Mehrheit im US-Kongress die Zahl der Dodd-Frank Befürworter bereits gesunken ist.

Weblinks:

Wir sind die Guten

So heißt der Titel des im Juli 2014 erschienenen Buches von Mathias Bröckers und Paul Schreyer. Das Buch zeigt dem Leser die „Ansichten eines Putinverstehers“ und bringt u.a. mit Zuhilfenahme Krügers Dissertation „Meinungsmacht. Der Einfluss von Eliten auf Leitmedien und Alpha-Journalisten…“  Licht ins Dunkel westlicher Berichterstattung über den aktuellen Ukraine-Konflikt. Bröckers gehört laut Selbstbeschreibung zur Gründergeneration der taz und arbeitete als Autor für DIE ZEIT. Das Buch will den eigentlichen Interessenskonflikt zwischen West- und Ost aus der östlichen Perspektive veranschaulichen. Dabei gehen die Autoren über die gängige und z.T. notwendige Simplifizierung unserer Mainstream-Nachrichtenmedien hinaus.

„Im Bürgerkrieg in der Ukraine geht es nicht um Demokratie und Menschenrechte, sondern um die Macht im  ››Großen Spiel‹‹: um Ressourcen und Kontrolle des Planeten. Russland und Iran, die zusammen über die Hälfte aller Öl- und Gasreserven der Welt verfügen, stehen der einzigen Supermacht nicht wegen ihrer religiös-fundamentalistischen oder autokratischen Ausrichtung im Wege, sondern weil sie die Profite aus ihren Bodenschätzen selbst einstreichen und transnationale Konzerne weitgehend außen vor halten.“ (Bröckers, Schreyer. 2014. S.177)

Buchcover
Buchcover

Hervorgegangen aus einem Disput über eine zukünftige Handelsunion zwischen West und Ost hat sich die Lage in der Ukraine längst zu einem militärischen Konflikt entwickelt. Die Autoren berufen sich bei ihrer Schilderung u.a. auf die US- Militärdoktrin einer „Full Spectrum Dominance“. Demnach müsse ein starkes, einiges und unabhängiges Europa als Gegengewicht der bisweilen einzigen Weltmacht, USA, verhindern werden. Die Lektüre bietet interessante Erkenntnisse über das Beziehungsgeflecht zwischen der transatlantischen Denkfabrik Atlantic Council in Washington, „die im Wesentlichen die Aktivitäten der Nato sowie die Entwicklung des Freihandels unterstützt“ und einem einflussreichen Eliten- Netzwerk aus Wirtschaft, Medien und Politik. (Bröckers, Schreyer. 2014. S.107) Ebenfalls aufschlussreich ist das Kapitel über „Öl, Gas und Sicherheit“, dass im Hinblick auf das weit verzweigte Pipelinesystem im „eurasischen ‹‹Heartland››“  unseren Kontinent mit dem Lebenssaft der westlichen Industrie und Wohlstandsgrundlage versorgt. Eine unabhängige europäische Energieversorgung könne demnach nicht im Interesse der Amerikaner sein, denen es im Schwarzen Meer auch selbst um Förderrechte und eventuell einen neuen Absatzmarkt ihres Schiefergases geht. Eine gleichzeitige Schwächung Russlands als Energielieferanten fördere zudem US- amerikanische Dominanz. „Die Gazprom-Pipeline Blue Stream läuft bereits bis in die Türkei, ihre geplante Verlängerung nach Syrien und ans Mittelmeer spielt unter anderem auch für den dortigen Konflikt eine Rolle.“  (Bröckers, Schreyer. 2014. S.63) Das komplexe Gefüge zwischen den kontrahierenden Staaten und Wirtschaftsinteressen kann hier natürlich nicht vollkommen aufgedeckt werden. Jedoch werden (mögliche) Zusammenhänge geschildert, auf deren Beschreibung unsere Leitmedien aus den verschiedensten Gründen verzichten.

Die zum Teil leicht tendenziöse Wortwahl zeigt dem Leser gleich zu Beginn aus welcher politischen Richtung der Wind weht, dies wird jedoch schon aus dem Titel des Buches und der zugehörigen Webseite putinversteher.info ersichtlich. Insgesamt lohnt sie die Lektüre in jedem Falle, so bietet das Buch einen weiteren Mosaikstein zum Gesamtbild unserer politischen Landkarte. Denn nicht nur der Orient ist im Umbruch.

Weblinks:

Obsoleszenz ist obsolet

Weihnachten ist vorüber, die Weihnachtsgans hat uns gemundet und nun haben wir die Bescherung. Doch wie lange hält die Freude an? Für die Wirtschaft ist das Weihnachtsgeschäft vorüber, doch das nächste kommt bald wieder. Damit auch dann wieder genügend Bedarf an neuen Geräten und Geschenken besteht, nimmt die Lebensdauer der Produkte immer weiter ab. Neuanschaffung resultiert dann nicht aus dem Bedürfnis nach Innovation, sondern der verkürzten Lebensdauer der Geräte. Eine Glühlampe leuchtet in Kalifornien schon über 110 Jahre.

“Das amerikanische US-Werbemagazin Printers’ Ink bringt es 1928 auf den Punkt: “Ein Artikel, der nicht verschleißt, ist eine Tragödie fürs Geschäft.” Die Konsumenten sollen neue Produkte kaufen, in immer kürzeren Abständen, so lautet schon damals die Botschaft – eine grundlegende Voraussetzung für die Massenproduktion. ” (Liebrich. In: SZ. 27.04.13)

Der künstliche Veralterung eines Produktes, Obsoleszenz, will die sozialistische Regierung in Frankreich nun bestrafen. Dann hat auch der Beschenkte länger Spaß an einem Weihnachtsgeschenk und unserer Umwelt wird gleichzeitig noch etwas gutes getan.

Folgend wird ein Artikel aus dem Kölner Stadtanzeiger vom 23.10.14 zitiert:

“Vorzeitiges Altern wird bestraft

Verbraucherschutz

Frankreich will gesetzlich gegen eingebaute Fehler in Elektrogeräten vorgehen

Paris. Wenn ein Toaster einen Monat nach Ablauf der Garantie kaputtgeht – könnte das vielleicht ein speziell eingebauter Fehler sein? In Frankreich soll das absichtliche vorschnelle Altern von Elektrogeräten künftig als Betrug bestraft werden. Ein entsprechendes Gesetz hat bereits die erste Hürde im französischen Parlament genommen. Verbraucherschützer liegt das Thema schon lange am Herzen, auch in Deutschland wird darüber immer wieder diskutiert.

Im Fachjargon wird die künstliche Alterung als “Obsoleszenz” bezeichnet. Damit ist gemeint, dass in Produkten bewusst Bestandteile verarbeitet werden, die vorzeitig altern oder geringere Qualität haben. Das Gerät muss dann früher ersetzt werden. Als Beispiel gelten Geräte, bei denen ein Akku nicht austauschbar ist. Die Hersteller weisen die Vorwürfe jedoch zurück.

Bis zu zwei Jahre Haft

In Frankreich sollen nachgewiesene Fälle künftig als Betrug mit bis zu zwei Jahren Haft und 300 000 Euro Geldstrafe geahndet werden können. Dazu muss laut Gesetz ein Produkt bewusst so gebaut werden, dass mit dem Ziel neuen Umsatzes die Lebensdauer künstlich verkürzt wird.

Die angestrebte Regelung ist Teil eines Gesetzes zum Energiewandel, mit dem Frankreich seinen nationalen Energiebedarf halbieren will. (dpa)” (Kölner Stadtanzeiger. 23.10.2014)

Weblinks: